
TWO
Tanztheater
TWO ist – auch – die Geschichte zweier junger Butoh-Tänzerinnen, die 1987 durch eine Zufalls-Bekanntschaft in Berlin zusammentreffen, um dann für ein paar Jahre das Herz der ersten deutsch-japanischen Butoh-Gruppe, „Tatoeba – Théâtre Danse Grotesque“, zu bilden, ehe sich diese Mitte der 90er Jahre auflöste und die KünstlerInnen eigene Wege gingen.
Das von Wolfgang A. Piontek initiierte und inszenierte Projekt, das sie nach über 20 Jahren – in denen beide ihre eigenen künstlerischen Wege gingen – wieder zusammenbringt, ist also ein Stück über z.T. sehr persönliche Erinnerungen, wie auch eine Reflektion über die Begegnung zweier Kulturen, der japanischen und der europäischen.
Es ist darüber hinaus – und diesen Aspekt finden wir, als Mitglieder einer zusehends alternden Gesellschaft, die mehr denn je der Jugend huldigt, besonders spannend - ein Stück über zwei Tänzerinnen in fortgeschrittenem Alter (55 und 63 Jahre), die noch immer tanzen und gerade aufgrund ihres Alters, aufgrund ihrer Erfahrungen, etwas ganz anderes zu sagen haben als junge TänzerInnen. Sie bringen Qualitäten und Themen in ihren Tanz und ihre Bühnenwerke ein.
Es geht nicht um höher, weiter, schneller, sondern größtmögliche Präsenz und Intensität, die Wiederentdeckung der Langsamkeit in der Auseinandersetzung mit existentiellen Themen.
Wie der japanische Butoh, in dem die beiden Tänzerinnen ihre Wurzeln haben, eine unmittelbare körperliche Ausdrucksweise ist. Ausdruckstanz im besten Sinne, so wird die Geschichte, die Minako Seki und Yumiko Yoshioka verbindet, auf der Bühne als eine ebenso eminent körperliche Geschichte erzählt. Uns interessiert gerade die Weisheit des Körpers, die Erfahrungen, die sich ihm eingeschrieben haben, seine Erinnerungen und seine Ausdrucksmöglichkeiten.
Am 6. und 7. Dezember jeweils um 20 Uhr zeigen wir TWO im LOT-Theater in Braunschweig. (LOT-Theater)
Am 12. Dezember um 19 Uhr zeigen wir TWO im Rahmen des tanz.tausch Festivals in der Tanzfaktur in Köln (tanz.tausch)
Hintergrund
Den Hintergrund für das Projekt bilden einerseits persönlich Begegnungen und die eigene künstlerische Tätigkeit der Beteiligten und andrerseits die Sonder-Entwicklung, die Butoh in Deutschland bzw. Europa genommen hat.
Bereits 1990 gab es mit dem Butoh Ghendai Arts Project das erste Butoh-Festival im noch jungen Theater in der EISFABRIK, betrieben von Wolfgang A. Piontek und seiner Gruppe COMMEDIA FUTURA. Yumiko Yoshioka besuchte das Festival als Besucherin und kam ein Jahr später als Tänzerin des Ensembles Tatoeba – Téatre danse grotesque für ein erstes Gastspiel zusammen mit Minoako Seki zurück. Weitere sollten folgen, der Kontakt blieb erhalten und Minako Seki gastierte in jüngster Zeit noch mehrfach in der EISFABRIK.
"Irgendwann nach mehr als 2 Jahrzehnten und aufgrund meiner Liebe zum besonderen Ausdruck dieser Butoh-Tänzerinnen kam mir die Idee, ich müßte ein Stück mit den beiden machen, die beiden wieder künstlerisch zusammenbringen“, so Wolfgang A. Piontek. So entstand die Idee zu einem Stück über die Geschichte zweier japanischer Künstlerinnen in Deutschland, die mittlerweile durch die ganze Welt touren, auftreten und lehren – ein Stück, das sehr persönliche Erfahrungen aufarbeitet und darin doch auch die Geschichte des Butoh in Europa spiegelt, von einer sehr japanischen, von Männern dominierten Angelegenheit zu eigenen freieren Formen, bei denen auch Frauen tonangebend waren, die neben dem expressiv-existentiellen Bühnentanz auch eigene therapeutische Ansätze entwickelten.
Butoh
Butoh – genauer gesagt ankoku butô oder „Tanz der Finsternis“ – ist eine theatrale Tanzform, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan entstand. Die drei Gründer – Tatsumi Hijikata, Kazuo Ohno und Akira Kasai – suchten jeweils für sich nach einer neuen zeitgenössischen Ausdrucksform mit dem sie auf existentielle Erfahrungen des Krieges, aber auch auf die amerikanischen Besatzung und der neu entstehenden modern japanischen Gesellschaft reagieren konnten. Allen drei gemeinsam war, dass sie zuvor schon in Berührung mit dem deutschen Ausdruckstanz gekommen waren. Die deutsche Tanzströmung ermutige sie nach einer eigenen individuellen Form zu suchen, die auch den fremden, verfremdeten, entfremdeten Körper Raum gab und nicht davor scheute sich eklektisch und ketzerisch bei traditionellen Formen wie dem No, Kabuki, aber auch Schamanenpraktiken und am Absurden und Grotesken zu bedienen um den eigenen Gefühlen, Erleben und existentieller Ängste Ausdruck zu verleihen – ähnlich wie auch Valeska Gert oder Mary Wigman viele Jahre zuvor in Deutschland.
Indem KünstlerInnen wie Minako Seki und Yumiko Yoshioka den Butoh nach Europa brachten hat sich dieser stark gewandelt, hat sich von der männlichen Dominanz und Strenge befreit und vielfältige Formen und Ableger hervorgebracht. Arrivierte freie Performancegruppen wie She She pop, Showcase Beat le Mot oder die Puppentheatergruppe Das Helmi nutzen Butoh als Trainingsgrundlage für die Entwicklung neuer Arbeiten. Und Minako Seki und Yumiko Yoshioka wurzeln zwar in der Tradition des Butoh, aber mit ihren eigenen Arbeiten dazu beigetragen, ihn weiterzuentwickeln, um ihn schließlich hinter sich zu lassen und ihre ganz eigenen Formen des Tanzes zu schaffen, in die auch europäische Traditionen Eingang gefunden haben, vom Ausdruckstanz bis zum spanischen Flamenco. Geblieben ist die Auseinandersetzung mit existenziellen menschlichen Themen. Geblieben ist die Intensität und Expressivität und eine ungeheure physische Gegenwärtigkeit auf der Bühne.
Work in Progress 07.10.2017 / Premiere 02.11.2017
Wir bedanken uns bei unseren Förderern:
Land Niedersachsen, MWK
Fond Darstellende Künste
Spielstättenförderung der Landeshauptstadt Hannover, Kulturbüro
Premiere am 07. Okt 2017,
insgesamt 27 Aufführungen zwischen dem 07. Okt 2017 und 07. Dez 2019
COMMEDIA FUTURA OnTour:
06. Dez 2017 LOT-Theater Braunschweig https://www.lot-theater.de/
07. Dez 2017 LOT-Theater Braunschweig https://www.lot-theater.de/
12. Dez 2017 Tanzfaktur Köln / tanz.tausch festival http://www.tanztausch.de/2017/10/20/dienstag-12-dezember-2000-uhr-preopening/
06. Sep 2018 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
07. Sep 2018 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
08. Sep 2018 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
09. Sep 2018 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
05. Dez 2019 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
06. Dez 2019 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
07. Dez 2019 Dock 11 - Berlin https://dock11-berlin.de/
Ensemble
Idee/Künstlerische Leitung: Wolfgang A. Piontek, Yumiko Yoshioka, Minako Seki
Choreographie/Tanz: Yumiko Yoshioka, Minako Seki
Inszenierung: Wolfgang A. Piontek
Dramaturgie/Produktionsleitung: Elena Polzer, Peter Piontek
Regieassistenz: Tabea Below, Lara Strautmann
Kostüme: Sabine Mech
Bühne: Wolfgang A. Piontek
Musik: Michio
Lichtdesign: Wolfgang Denker
Videodesign: Volker Schreiner

Neue Presse | 09.11.2017
Freude, Schmerz, Wut und all das andere
von Christian Seibt
Butoh-Tanz in der Eisfabrik - Regie von Wolfgang Piontek
Allein ihr vielfältiges Mienenspiel fesselt.Da werden unglaubliche Grimassen gezogen,wie auf japanischen Holzschnitten.Gesichtsausdrücke stoisch-starr eingefroren und alle Gefühlszustände wie Freude, Schmerz, Angst, Wut und Verzweiflung beeindruckend dargestellt.
Das ist aber nur ein Teil der Tanz-theater-Performance-Kunst der beiden japanischen Butoh-Tänzerinnen und -Choreografinnen Minako Seki und Yumiko Yoshioka. Bei seinem einstündigen Werk „Two“, das es zusammen mit Wolfgang A. Piontek (Idee, Regie) für die Commedia Futura entwickelt hat, besticht das Tanzduo mit einer faszinierend-eigenwilligen, hochintensiven und komplex-tänzerisch-theatralischen Vorstellung.
ln neun Szenen geht es um die „Weisheit des Körpers“ mit seinen gespeicherten Erfahrungen, um die Auseinandersetzung mit existenziellen menschlichen Themen und um die Reflexion des Lebens in zwei Kulturen, in Japan und Europa. Auch die gemeinsame Geschichte der beiden Tänzerinnen, die einige Jahre lang den Kern der ersten deutsch-japanischen Butoh-Gruppe „Tatoeba - Théâtre Danse Grotesque“ (Mitte der 90er Jahre aufgelöst) bildeten wird thematisiert.
Erstmals stehen sie wieder gemeinsam auf der Bühne. lhr Verhältnis, ihr Leben stellen sie in der Schwarzen Halle der Eisfabrik dar, mit ungemein starker, physischer Expressivität und fantastischer Körperbeherrschung. Spannungsvoll begleitet mit Musik (Michio) und Videobildern (Volker Schreiner).
Atem anhalten in der Szene „Livesaver“ - wunderbar fließende Tanzbewegungen wie im Wasser, Seki rettet Yoshioka mit einem Rettungsring - so viel zum Thema „Hilfe“. So wird „Freundschaft“ dargestellt: japanisches Frauengeschnatter am langen Tisch, so „Verlässlichkeit“: Burschikos erlöst Seki Yoshioka aus ihrer Zitterstarre.
Es gibt auch Wortsequenzen in japanischer, englischer und deutscher Sprache. Seki spricht über „Beauty“ („Schönheit') und verzerrt dabei ob des Jugendwahns das Gesicht. „Nicht denken, sondern spüren“ sagt Yoshioka. Das drücken beide mit ihrer Kunst exzellent aus.
Ein Erlebnis. Am Ende: mehrere Minuten langer, kräftiger Applaus mit Jubel und Fußtrappeln.

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 04.11.2017
Exzessiv und elegant
von Kerstin Hergt

Kölner Rundschau | 02.11.2017
Lustvolle Karikatur
von Thomas Linden
"Two" eröffnet das sechste "tanz.tausch"- Festival
An einem langen Tisch setzen sie sich zunächst zum „Tea/t for Two“ gegenüber. In ihren Kleidchen und den fest geflochtenen Zöpfen wirken sie wie Teenager. Tatsächlich zählen Yumiko Yoshioka und Minako Seki, deren Choreographie die sechste Ausgabe des Festivals „tanz.tausch', eröffnete aber 55 und 63 Lenze. In ihren Bewegungen, der Präzision ihrer Schritte und dem perfekten Timing der Gesten scheint das Alter aufgehoben. Als hätten sie eine Spiralfeder in ihrem Inneren, so energiegeladen und ausgelassen tanzen die beiden Frauen.
Das heißt aber nicht, dass sie ihre Jahre verleugneten. Im Gegenteil. Auf einem Screen in der Tanzfaktur sieht man ihre sich bewegende Hände, eine entblößte Brust und die Rückenansichten der beiden mit Schulterblättern, die wie Flügel schwingen. Aufnahmen, die keinen Zweifel an den Geburtsjahren der Künstlerinnen lassen.
Das unter der künstlerischen Leitung von Wolfgang A. Piontek in der Hannoveraner Commedia Futura entstandene Stück, erzählt von der Lebensreise des Duos, das sich 1987 zufällig in Berlin begegnete. Später bildeten sie den Kern der deutsch-japanischen Butoh-Gruppe „Tatoeba – Theatre Danse Grotesque“. Man trennte sich und fand nach über 20 Jahren wieder zusammen.
Butoh-Tänzerinnen haben nicht selten als Striptease-Tänzerinnen in Bars arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch davon erzählt man einander.
Wie im Rausch entlädt sich eine Kaskade von Tanzgesten, die vom Tempeltanz bis zu Elementen des Modern Dance reicht und stets nach einem möglichst expressiven Ausdruck sucht. Esoterische Vorstellungen vom Butoh ziehen sie ab, hier wird nicht nach innen gelauscht, sondern nach außen grimassiert. Sie lassen keinen Asia-Kitsch und keine religiöse Verbrämung zu, sondern unterwandern unsere Japan-Klischees mit einem Humor, der sich bis in die kleinen Sadismen des Slapstick auswächst.
In hastigen Szenensprüngen eilt das Duo vom Schwertkampf zur Schlagershow, die Dramaturgie erinnert an Animationsfilme. Ein Füllhorn an tänzerischer Kommunikation bieten Seki und Yoshioka, wobei sie augenzwinkernd den Kontakt zum Publikum halten, während sie das Bühnengeschäft lustvoll karikieren.
In seiner Professionalität und Fremdheit ein starker Akzent für den Beginn des Festivals, das noch bis zum 16. 12. in der Alten Feuerwache zusehen ist.. .

report.k | 20.12.2017
tanz.tausch-Festival 2017 in Köln - Wildes und stilles grandioses Pre-Opening mit Butoh/ Bühne/ Kulur
Vier Tage zeitgenössischer Tanz,das bietet das tanz.tausch-Festival zum sechsten Mal in Köln. Am gestrigen Abend startete das Festival mit dem Pre~Opening in der Tanzfaktur an der Siegburger Straße mit „Two“ von Commedia Futura, Hannover und der Geschichte zweier Butoh-Tänzerinnen vor ausverkauftem Haus. Minako Seki und Yumiko Yoshioka fesselten das Publikum mit ihren wilden, unberechenbaren, stillen Tänzen und skurrilen Bewegungen. Getanzte Radikalität, Revolution, Rebellion und mit sich abwechselnder Brutalität und Zärtlichkeit. Das Publikum goutierte die Performance zeitgenössischen Tanzes mit Begeisterungsstürmen.
Ein kalter frostiger Winterabend in Köln. Das Industriegebiet an der Siegburger Straße zeigt sich wenig charmant, sondern eher in der Rohheit moderner Lebens und Arbeitswelten, eiskaltes Neonlicht eines Discounters, der Parkplatz spärlich besetzt, im Deutzer Hafen flackert Blaulicht. Den Eingang zur Tanzfaktur muss man suchen. Er führt über eine ehemalige Verladerampe in das gestaltete Foyer einer Halle mit viel Fenstern. Das Licht schummrig,die Tische aus Europaletten gefertigt, das Publikum drängt sich um die Eingangstür zum Bühnenraum. Echte kreative Atmosphäre innen.
Als die Stahltür sich öffnet, wird ein klassischer Theaterraum - extrem reduziert – sichtbar. Weißer Boden, schwarze Wände an einem riesigen Tisch sitzen bereits zwei Akteurinnen sich gegenüber. Jede hat eine Tasse vor sich, im Hintergrund zeigt eine Videoinstallation in Schwarz-Weiß zwei Menschen, überlebensgroß. OK, klar, der Titel lautet: „Two“, das Eingangsbild wie ein Plakat für die Veranstaltung inszeniert, aber wir sind ja jetzt schon da. An einer Wand hängen Rettungsringe, ein Míkrofonständer mit Mikrofon steht links in der Ecke und zwei runde Gegenstände seitlich in der Mitte der Performancefläche.
Der Tanz beginnt wild und ungestüm. Es ist ein Kampf, die Tänzerinnen schreien sich an, es geht brutal zur Sache. Der Butoh-Tanz gilt als Ventil, in dem Träume und Emotionen ausgedrückt werden dürfen, die im Alltag keinen Platz finden. ln der Kargheit der Bühne verschmelzen die Körper der Tänzerinnen in ihren dunkelblauen Tanzkleidern zu einem und einer sich daraus ergebenden Bewegung oder bilden schon in der ersten Sequenz hunderte von Einzelbildern, die nicht nur die menschliche Beziehung der beiden zueinander widerspiegeln, sondern wie einzelne perfekt in der Form gesetzte Zeichnungen von in Relation bestehenden Figurenkompositionen entstehen und sich in der Rhythmik der nächsten Bewegung auflösen. Harmonie folgt auf Disharmonie oder alternierend greift Harmonie in Harmonie. Dazu teils monotone Töne, die brutal den Kampf untermalen. Im Ohr entsteht manchmal das Gefühl, brechende Knochen zu hören. Minako Seki und Yumiko Yoshioka tanzen dies in absoluter Perfektion und ihre Variationstiefe ist enorm. Buchhalter würden sich fragen, wie merken die beiden Tänzerinnen sich eigentlich diese Vielzahl von Schritten und Formen, die Aktenordner füllen würden.
Minako Seki und Yumiko Yoshioka tanzen nicht nur mit den dafür im Körper vorgesehenen Gliedmaßen. Sie vermitteln: alles tanzt, kann tanzen und wird zu Bewegung, Rhythmik und Tanz, Augen, Ohren, Haare, Finger nichts bleibt außen vor. Und so lenkt ihr Butoh-Tanz den Betrachter geschickt vom Großen ins Kleine. Der Zuschauer ist voll und ganz in der Hand der Tänzerinnen. Dazu kommt die Stimme, Worte, Wortfetzen und das vielsprachige. Denn auch das Wort kann tanzen.Japanisch, englisch und deutsch. Dabei wird Skurrilität nicht ausgeschlossen, sie ist erwünscht, in der Bewegung, in den Worten, in der Erzählung. „I'am eating your heart“ oder „Don 't count on me“ klingt genauso barsch und brutal,wie wenn eine der Tänzerinnen die andere an den langen schwarzen Haaren über die Bühne zieht.
Die Wahrheit tut weh und Menschen sind nicht nur süß oder nett, sondern auch brutal. 70 Minuten Tanz, Inspiration und Emotionen pur, getanzt auf Weltklasse-Niveau erlebten die Besucher von „Two“ und zeigten sich mit langanhaltendem Applaus erkenntlich.
Spielzeit | 29.09.2017
Butoh-Performance
von /
Konzentration und Power: In Two stehen zwei Butoh-Tänzerinnen nach mehr als zwei Jahrzehnten nochmals gemeinsam auf der Bühne. Ein Wiedersehen bei Commedia Futura in der Eisfabrik.
Behutsam umkreisen sich ihre Hände, tastend und zugleich vertraut. Zwei Körper, die sich langsam aufrichten, zur Seite neigen und ihre Mitte finden. Ein Paarlauf zweier Frauen, die eine Zeit lang gemeinsam auf der Bühne standen - im Ensemble der ersten deutsch-japanischen Butoh-Gruppe Tatoeba Théâtre Danse Grotesque - und die anschließend eigene Wege gingen. 1991 war die Butoh-Gruppe mit den Tänzerinnen Minako Seki und Yumiko Yoshioka bei Commedia Futura in der Eisfabrik zu Gast und wurde mit stürmischem Beifall gefeiert.
Noch heute schwärmt Commedia Chef Wolfgang A. Piontek von diesem Applaus. „Das war damals etwas ganz Neues. Wir waren die Ersten, die Butoh in Hannover und vermutlich auch niedersachsenweit gezeigt haben.“ Der Kontakt zu den Künstlerinnen blieb erhalten, nun bringt Piontek die Tänzerinnen auf der Bühne wieder zusammen. „Two“ heißt die Performance, die er gemeinsam mit den beiden erfahrenen Künstlerinnen erarbeitet. „Es geht um Körperbilder, in denen sich die Geschichten dieser beiden Frauen spiegeln, denn diese Körper haben enorm viele Emotionen gespeichert, ihre Reife ist ein besonderer Schatz.“
Die Weisheit des Körpers als Markenzeichen: Dabei ist das Alter von Tänzerinnen meist ein Tabu - und ein Karrierekiller. Die beiden Butoh Tänzerinnen hingegen gehen offensiv mit ihren Lebensjahren um. „Ich bin 56 Jahre alt und das ist für mich auch ein gesellschaftspolitisches Bekenntnis“, betont die in Ber lin lebende Künstlerin und Dozentin Minako Seki. „Butoh ist ein Tanz des Lebens. Er entsteht im Augenblick und er verbindet Körper und Geist.“ Yumiko Yoshioka stimmt ihr zu: „Der Tanz umfasst das Da sein, er geht in die Tiefe und ist Teil der Ganzheit.“ Mit ihren 64 Jahren steht die grazile Tänzerin und Choreografin regelmäßig auf internationalen Bühnen.
Minako Seki und Yumiko Yoshioka gehören zu den Pionierinnen des Butoh-Tanzes in Europa. Diese theatrale Tanzform entwickelte sich in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg und knüpft an die Tradition des Ausdruckstanzes an, die in Deutschland entstanden ist. Zu den Wegbereitern gehört die Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin Mary Wigman, die 1886 in Hannover geboren wurde. In den 1992er Jahren eröffnete sie in Dresden eine Schule für modernen Tanz und prägte diese Entwicklung maßgeblich.
Im modernen Japan blieb Butoh lange Zeit Männersache, in Europa hingegen konnten Frauen in den vergangenen Jahrzehnten eigene Traditionen des Butoh begründen. Wie sich zwei dieser Spielarten des Butoh zusammenbringen lassen, ist bei Commedia Futura in der Eisfabrik zu sehen, Die Musik steuert Michio von der Cooperativa Maura Morales bei. „Mit Schattenbildern, die wir mit Video-Designern entwickeln, führen wir unser Publikum auch in virtuelle Welten“ verrät Regisseur Wolfgang A Piontek. „Wir formen eine Collage aus Tanzgeschichte, Körperskulpturen und innovativen Sound.“