Lost in Twin Peaks
…ansprechendes experimentelles Medientheater auf herausragendem Niveau. (Theater der Zeit) Gefördert von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Niedersächsischen Lottostiftung und Hanns-Lilje-Stiftung.
Regisseur Wolfgang A. Piontek hat ... geschickt Mittel und Stilelemente des Theaters, des Films, der Musik und der Videokunst ... miteinander verwoben. (HAZ)
... sauber durchchoreographiert und streckenweise sehr komisch ... Die sieben Akteure spielen Mehrfachrollen, mit Ausnahme von Åza Thelandersson, die sehr diszipliniert den etwas verschrobenen Agent Dale Cooper gibt. (Verderner Aller-Zeitung)
Rätselhafte Vorgänge in der Kleinstadt Twin Peaks rufen FBI Special Agent Dale Cooper auf den Plan. Er soll aufklären, warum junge Frauen plötzlich verschwinden und allenfalls tot wieder auftauchen. Das Böse geht um in Twin Peaks. Doch Cooper, eine Art Barfuß-Polizist mit philosophischen Neigungen, ist weit davon entfernt, die Situation in typischer Detektiv-Manier aufzuklären, vielmehr verstrickt er sich selbst in die düsteren Ereignisse. In den obsessiven Bildwelten David Lynchs halten Tod und Teufel wieder Einzug in unsere Vorstellungswelt. Seine Gestalten entstammen den technoiden Alpträumen und zwingen zur Auseinandersetzung mit einer Welt und Gesellschaft, die kürzlich die ersten geklonten Lebewesen hervorgebracht hat.
“Twin Peaks“ galt vielen als Kult-Serie. Die Inszenierung von COMMEDIA FUTURA verbindet den suggestiven Reiz von originalen und nachgestellten Videobildern mit der sinnlichen Präsenz des Bewegungstheaters.
Premiere am 17. Jan 1998,
insgesamt 32 Aufführungen zwischen dem 17. Jan 1998 und 18. Mai 1999
COMMEDIA FUTURA OnTour:
18. Mai 1999 Arena 3 - Theaterfestival Freier Niedersächsischer Theater/ Theaterwerkstatt Hannover
Ensemble
Konzept: Wolfgang A. Piontek, Angelo Sansone
Inszenierung: Wolfgang A. Piontek
Regieassistenz: Kerstin Schroth
Dramaturgie: Peter Piontek
Bühne: Klaus Lösche
Kostüme: Tonja Becht
Musik: Uwe Vogel
Videos: Angelo Sansone
Lichtdesign: Wolfgang Denker
Bild | 21.01.1998
"Twin Peaks" - unheimliche Reise in menschliche Abgründe
von Janus Baumann
Der Mann im Kassenhäuschen hat einen FBI-Ausweis an der Brust, die junge Dame am Einlass schwenkt beiläufig eine Pistole: Commedia Futura schwört ihr Publikum beim neuen Stück „Lost in Twin Peaks“ schon im Vorfeld auf ungewöhnliche Theatererlebnisse ein. Auf der Bühne unter der Regie von Wolfgang Piontek eine ganz eigene Chose, obwohl es der Projektion und auf Monitoren eine Reihe Originaleinspielungen gibt.
Eine Handlung im klassischen Sinn? Fehlanzeige. In einer Kleinstadt geschehen rätselhafte Morde, offenbar ist das Böse nach Twin Peaks gekommen. Der seltsame Agent Dale Cooper, der in den unpassendsten Momenten von seinen Naturerfahrungen zu schwärmen beginnt, wird ins irre Treiben hineingezogen. Man braucht Sitzfleisch, das Stück dauert vier Stunden. Doch wer sich auf die unheimliche Atmosphäre dieser Reise durch die menschlichen Abgründe einlässt, wird's nicht bereuen.
Hannoversche Allgemeine Zeitung | 19.01.1998
Kleine Schnittfehler
von Ernst Corinth
Nun hat's die Commedia Futura erwischt. Mit gut vierstündiger Dauer bietet die freie Gruppe in der Eisfabrik den derzeit längsten Theaterabend in Hannover und stellt damit selbst das Staatstheater in den Schatten, wo selten mal eine Aufführung unter drei Stunden Spielzeit zu sehen ist. Aber leider kann die Eisfabrik keinen Sitzkomfort bieten, was zugegeben nur ein fürchterlich schnödes Problem ist, jedoch böse Folgen hat: Denn spätestens nach drei Stunden strapaziösem Herumhocken lässt die Konzentration so nach, dass der letzte Teil des „Lost in Twin Peaks“-Abends, der zudem der diffizilste ist, nur noch schwer zu ertragen ist.
Dennoch lohnt sich mehr als ein Blick auf den Versuch der Commedia Futura, sich der Welt des Filmemachers David Lynch mit theatralischen Mitteln zu nähern. Wie in der 30teiligen TV-Serie „Twin Peaks“, die Anfang der neunziger Jahre ausgestrahlt wurde, steht auch in der Eisfabrik der FBI-Agent Dale Cooper im Mittelpunkt. Ein Mord an einem jungen Mädchen führt ihn in das Kaff „Twin Peaks“. Überraschend schnell kommt Cooper dem Täter auf die Spur, doch dann vermischen sich immer mehr Traum und Wirklichkeit. Ängste und Unbewusstes treiben mit den Beteiligten und den Zuschauern ein garstiges Spiel. Und am Ende kämpfen mal wieder das Gute und das Böse mächtig gegeneinander. Ein Kampf, der offenbar nie entschieden wird - und so beginnt schließlich alles wieder von vorn.
Regisseur Wolfgang A. Piontek hat dabei über weite Strecken durchaus geschickt Mittel und Stilelemente des Theaters, des Films, der Musik und der Videokunst (Videodesign: Angelo Sansone) miteinander verwoben, hat die ganz eigene Filmsprache des Autors einfließen lassen und sie sogar zuweilen ein wenig ironisch konterkariert. Da wird beispielsweise die Grenze zwischen dem Medium Film und dem Theater witzig durchbrochen, als eine (auf der Bühne anwesende) Schauspielerin mit einem der (mittels Video eingeblendeten) Filmdarsteller telephoniert. Oder es werden auf den beiden Monitoren offenbar Live-Bilder gezeigt, die sich plötzlich als vorproduziert herausstellen.
Das Ensemble agiert überzeugend, besonders Aza Thelandersson als Agent Cooper. Nur Matthias Buss, der als Bösewicht Windom Earle und als „Giftzwerg“ die schwierigsten Parts hat, erinnert arg an Danny DeVitos teuflischen Pinguin-Mann aus Tim Burtons „Batman“-Film. Und leider gibt's eine Reihe störender „Schnittfehler“. So sind einige Umbaupausen viel zu lang, ist der Übergang zwischen den Szenen manchmal holprig, das Zusammenspiel zwischen den Akteuren und den Videoaunahmen nicht synchron, und die beiden 30minütigen Pausen sollten schleunigst gekürzt werden.
Eines jedoch ist sicher: Eingefleischte „Lynchologen“ werden an diesem „Twin Peaks“-Abend ihren Spaß haben. Wer die TV-Serie allerdings nicht gesehen oder zwar gesehen, aber nicht verstanden hat, der ist in der Eisfabrik hinterher auch nicht viel schlauer. Am Schluss: Viel Beifall
Neue Presse | 18.11.1997
Italo - Schweizer auf den Spuren des Kultregisseurs David Lynch
von gol
Angelo Sansone bereitet Videos für "Twin Peaks" vor
„lch kann mir ein Leben ohne schöne Dinge einfach nicht vorstellen. Wenn ich etwas Schönes sehe, will ich es haben, muss ich es haben", sagt Angelo Sansone. Auch jetzt bereitet der 35 Jährige gebürtige ltaliener ein schönes Ding vor, in seinem Atelier in der Eisfabrik arbeitet er an den Videosequenzen für das Theaterstück „Lost in Twin Peaks"'. Wolfgang A. Piontek von der Commedia Futura wird den Stoff der gleichnamigen Kult-Fernsehserie von David Lynch („Blue Velvet", „Wild At Heart") als Multimedia-Schauspiel inszenieren.
Sansones schwierige Aufgabe ist, aus 35 Stunden filmischen Rohmaterials Stoff für die dreistündige Aufführung zusammenzustellen. „Manche Szenen muss ich komplett neu mit den Theaterschauspielern drehen, andere kürzen. Wieder andere muss ich durch Schnitte und Überblendungen an die etwas langsamere Bildsprache der Bühne anpassen", erklärt er seine Arbeit. David Lynch ist eines der Vorbilder des Regisseurs: „Als ich die Serie zum ersten Mal vor sechs Jahren sah, dachte ich mir: Lynch setzt genau das um, was ich auch gerne machen würde." Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt begann er sein Studium an der New Yorker Film Academy. Zuvor hatte er bereits erfolgreich in Sozialpädogogík und Elektrotechnik diplomiert, Ergebnis einer persönlichen Entwicklung, die Sansone aus seiner italienischen Geburtsstadt mit dem schönen Namen Potenza über Zürich, wo er aufwuchs, an die Leine führte.
Neben Kurzfilmen hat er Auftragsarbeiten wie Werbespots, Beiträge für City-Com und den Offenen Kanal realisiert. Bei der Gelegenheit lernte er die Franzosen Dominique Madelaine und Christof Lopital kennen, mit denen er sich „als selbständiger Kompagnon" das hochtechnisierte Atelier teilt. Mit der Mentalität der Niedersachsen, hat Angelo Sansone, der seine Wohnung in Zürich nie aufgegeben hat, nur wenig Schwierigkeiten, auch wenn, die in der Schweiz so selbstverständlichen Tugenden, Rücksichtnahme und Höflichkeit, manchmal etwas zu kurz kommen. Eher mit der sprachlichen Autorität der hochdeutschen Hannoveraner: Wegen seines eidgenössischen Dialekts gelte er oft, wie er schmunzelnd sagt, als „das niedliche Schweizerli".
Theater der Zeit | 28.05.1999
Eine Woche in Hannover/ Entspannte Atmosphäre zw. „Chaostagen“ & „Expo 2000“
von Thomas Irmer
Die freie Szene Hannovers, ohne echten Anlaß von einer mentorhaften HAZ gerade als „Kaum noch zu retten?“ debattiert, ist mit nahezu allen Stilrichtungen präsent und grundsolide vertreten. „Theaterwerkstatt“ (mit Kindertheater in einem zum Kulturzentrum umgebauten Kaufhaus), „Theater an der Glocksee“ (vor allem Sprechtheater), das „Tanz / Theater im Hof“ und „Commedia Futura“ (angesiedelt in einer ehemaligen Eisfabrik) sind die wichtigsten Adressen.
„Commedia“, die 1982 von Wolfgang A. Piontek und mit dem Konzept eines experimentellen Medientheaters gegründet wurde, ist auf ansprechendem, ja herausragendem Niveau das zu finden, womit Stadttheater formal wie inhaltlich aufregend ihr schwindendes Abo-Publikum zurückholen wollen, aber sich dann – wegen ihres kulturellen Auftrags – doch nicht richtig trauen. Mit einer Adaption von David Lynchs „Twin Peaks“ zeigen Piontek und Angelo Sansone auf ihrer technisch bestausgestatteten Multimedia-Bühne, daß die visuelle Überlegenheit von Film und Fernsehen nicht nur attraktiv bekannte Stoffe bietet, sondern auch die Möglichkeit, Leinwandbild und Schauspiel (sieben Darsteller in 21 Rollen) wirklich und methodisch richtig in Beziehung zu setzen. Der FBI-Agent Dale Cooper, hier von einer herben Frau aus dem hohen Norden gespielt (Aza Thelandersson), verstrickt sich „Lost in Twin Peaks“, wie die Produktion heißt. Verblüffend ist nun aber nicht allein die Story, die Piontek und Sansone aus der surrealen TV-Serie filtern, sondern der über fast vier Stunden flimmernde Mut, szenisch pointierte Stückchen mit Soundtrack und Videoschnipseln so zusammenzubringen, daß man den überwältigend rätselhaften Eindruck von Lynch in einem sowieso nicht normalen Bühnenraum aus Hören und Sehen gewinnt. Als Zentrum des Bösen im Schauspielerischen muß der als Zwerg und Gewaltagent auftretende Matthias Buss unbedingt hervorgehoben werden. Und als Leiter dieses Hauses wird Piontek als Künstler, der international einlädt und eingeladen wird, in der Stadt sehr ernst genommen. Mit Recht und hoffentlich noch mehr Anerkennung für seine Truppe. Im deutschen Expo-Pavillion werden sie mit „Leben Life“ auf ihre Kollegen von der Pop-Fraktion treffen.