Auch diesmal gelingt es der Gruppe auf beeindruckende Weise, Theater mit Film zu verknüpfen und Kinobilder in das Spiel zu integrieren. (HAZ)

Sie waren unsere Helden, ehe die Fantasy-Monster unsere Phantasie zu bevölkern begannen …

Winnetou und Old Shatterhand, Wyatt Earp und Buffalo Bill, Sitting Bull und Geronimo.

Einen Western auf die Bühne zu bringen muss wie Cowboys und Indianer spielen sein – und dann noch ein bisschen als wäre es ein Stück von Beckett.

Es beginnt im legendären Tombstone der Earps und führt dann in die Unterwelt, in der die Helden des Wilden Westens wieder auferstehen: Billy the Kid, der androgyne Revolverheld, und seine Freundin Bonita, Billys Widersacher Pat Garrett und dessen machthungrige Frau, die Saloon- und Hotelbesitzerin Long Leg Kate. Dazu ein geheimnisvoller Indianer, ein Über-

lebender, eine schillernde Figur zwischen Schamane und Zen-Mönch, der ein kleines Alkoholproblem hat. Ein Western auf der Bühne muss auch ein bisschen sein wie ein Stück von Shakespeare, Macbeth zum Beispiel. Denn streng für sich genommen blieben die ganzen Heroen des Wilden Westens flache Abziehfiguren, deren Leben vor allem kurz ist.

COMMEDIA FUTURA greift mit “Wanted – Pat Garrett jagt Billy the Kid” auf ein Genre zurück, dessen Dramaturgie im Grunde zu banal ist, um für die Bühne zu taugen, und dessen Welt potenzierte Fiktion ist. aber eben das macht den Wilden Westen auch zum idealen Schauplatz für ein Theater, dem die assoziativen Bilderketten, die Suggestion und deren Entlarvung wichtiger ist als die handlungsorientierte Erzählung.

COMMEDIA FUTURA hat für dieses Western-Remake das ganze Arsenal seiner theatralischen Mittel genutzt: Jede Menge Filmzitate - als Text, als Video – Physical Theater, Choreographien, Musik, Lieder – ein buntes Stück aus dem Geiste des Schwarz-Weiß-Films. Das Ensemble wird verstärkt durch Mitglieder der Theatergruppe Wilde Reiter.

 

Gefördert von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Niedersächsischen Lottostiftung und der S-Hannover Stiftung.


Premiere am 13. Sep 2002,
insgesamt 14 Aufführungen zwischen dem 13. Sep 2002 und 02. Nov 2002

Ensemble


Konzept: Wolfgang A. Piontek, Peter Piontek
Inszenierung: Wolfgang A. Piontek
Regieassistenz: Rike Oehlerking
Bühne: Markus Petrasch
Kostüme: Andrea Kuhls
Musik: Lüder Lindau
Videos: Volker Schreiner
Lichtdesign: Wolfgang Denker

„Die Wilden Reiter“: Gabriele Dragon, Tanja Römermann, Silke Tempel, Gundi Wolf, Harry Bailly, Bernd März, Jens Meier, Robert Strohmeyer, Michael Urowski

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 16.09.2002
Die spinnen, die Bleichgesichter
von Ernst Corinth

Ach, hätte mal Sam Peckinpah Regie geführt. Dann wäre einiges an diesem Abend wohl anders und vieles besser gelaufen. Aber an Peckinpahs Western-Klassiker „Pat Garrett jagt Billy The Kid“ erinnert leider nur der Titel des neuen Stücks der Commedia Futura, das nach einer Idee von Peter und Wolfgang A. Piontek entstanden und mit dem Ensemble zusammen entwickelt worden ist. Auch diesmal gelingt es der Gruppe auf beeindruckende Weise, Theater mit Film zu verknüpfen und Kinobilder in das Spiel zu integrieren. Das hat in der Commedia Futura gute Tradition. Doch ansonsten waren die knapp drei Stunden ein eher zähes Vergnügen.

Wobei man nie wusste, was man eigentlich sah: War es nun eine Western-Revue? Eine theatralische Adaption bekannter Western-Szenen? Oder der Versuch, die alten Kinobilder ironisch zu brechen? Fragen, die die Inszenierung von Wolfgang A. Piontek nicht beantwortet. Los gehts jedenfalls als Revue, mit viel Gesang und noch mehr Saloon-Atmosphäre. Ein viel versprechender Auftakt, dessen Leichtigkeit danach jedoch durch beinah schwermütig anmutende Szenen erstickt wird.

Erzählt wird dabei die Geschichte des Sheriffs Pat Garrett (Sven Fechner) und des Gesetzlosen Billy the Kid (Rosario Avanzato), die einst Freunde gewesen sind und jetzt in ein tödliches Duell gehetzt werden. Das klingt tragisch. Und manchmal hat man den leisen Verdacht, dass die Gruppe gerade ein blutrünstiges Shakespeare-Drama in Kostümen des Wilden Westens spielt, bloß so richtig interessant, anrührend, witzig oder gar faszinierend ist das, was man sieht und vor allem an Texten hört, leider nicht. Besonders weil die lnszenierung unentschlossen zwischen Tragödie, Western-Farce und -Parodie hin und her schlingert. Und weil zudem zwei Darstellerinnen so übertrieben agieren und sprechen, dass man am liebsten selbst nach dem Sheriff rufen möchte.

Sogar das schöne Schlussbild wird dann noch durch den seltsamen Monolog eines noch seltsameren indianischen Schamanen zerstört, der wortreich das blutige Geschehen kommentiert und es damit erklärt, dass die Bleichgesichter halt irgendwie spinnen. O Mann, Wer hätte das gedacht?

 

Neue Presse | 16.09.2002
In der Eisfabrik rauchen die Colts
von Kristian Teetz

Commedia Futura zum Schießen: Sam Peckinpahs Hardcore-Western „Pat Garrett jagt Billy the Kid" wird in der Eisfabrik zur heißen Bühnen-Sause.

Howdy! Einmal Cowboystiefel putzen, Fremder? Oder einen goldfunkelnden Whiskey durch die Kehle jagen? Westernzeit in Hannover. Harte Männer und heftige Mädels fegen über die Bühne, Rothäute und Bleichgesichter. Wir kennen diese Gestalten alle aus den Kinowestern-Klassikern von „High Noon" über „Der mit dem Wolf tanzt" bis zum „Schuh des Manitu".

Die Commedia Futura hat die Leute mit den rauchenden Colts jetzt auf die Schaubühne gebracht. Auch „Pat Garrett jagt Billy the Kid", Vorlage zum Cornmedia-Stück, war mal ein Kinohit, ein echter Schocker sogar. Brutale Bilder von Sam Peckinpah, brutal gute Musik von Bob Dylan: „Knockin' on heaven's door". Das Ensemble in der Eisfabrik stellt dem ins Komische (nicht aber in billigen Slapstick) gewendeten Drama ein Who is Who des Wilden Weste(r)ns vorweg: Von Sitting Bull bis John Wayne erfahren wir in einer Diashow alles: Geburtsdatum, Duelle, Anzahl der Kerben auf dem Kerbholz.

Ein Saloon, zwei Männer, zwei Seiten des Gesetzes. Sheriff Pat Garrett - Sven Fechner beeindruckt durch konstante Finstermiene - triftt auf seinen Ex-Kompagnon, den Outlaw Billy the Kid - Rosario Avanzato spielt den Killer-Kindskopf mit einer Mischung aus Dreistigkeit und Todesfurcht. Scharmützel und Flucht. Auf Billys Seite stehen die schöne Bonita und Indianerfreund Nobody. Denise M'Baye, die schon durch ihre rauchige Blues-Stimme beim Brecht-meets-The-Doors-Stück „Alabama Song" auffiel, ist eine frech-fröhliche Bonita, Laetitia Mazzotti-Colombo ein köstlich irrer Schamane Nobody. Auf Garretts Seite stehen dessen selbstverliebte Gattin Kate (Kristina Scheyhing) und der eiskalte Tyler Durden, den Regisseur Wolfgang A. Piontek spielt. Auf Großleinwänden werden Szenen aus Spielfilmen gezeigt und in das Stück integriert.

Das ist ein Kniff, der immer wieder knistert wie feinstes Zelluloid. Problem: Piontek hat vergessen, dass ein guter Western 90 Minuten dauert und nicht drei Stunden.

Plakat:
Wanted - Pat Garrett jagt Billy The Kid
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