Der Mythos von Orpheus und Eurydike ist schnell erzählt. Der Sänger machte sich auf den Weg in die Unterwelt, um seine durch ein Unglück verstorbene Gattin ins Leben zurück zu holen. Doch leider drehte er sich auf dem Weg zurück ans Licht nach der Geliebten um und verdarb alles.

Orpheus wird schließlich der Überlieferung zufolge von den Mänaden zerrissen, weil er sich nach dem endgültigen Verlust Eurydikes von den Frauen abgewendet haben soll.

Regisseur Wolfgang A. Piontek und die Choreographen Maura Morales und Felix Landerer setzen zentrale Motive des Mythos in Szene, probieren Alternativen aus, bürsten ihn gegen den Strich, stellen Fragen an die überlieferte Geschichte, suchen nach modernen Entsprechungen, lassen auch Eurydike zu Wort kommen. Das sechsköpfige internationale Ensemble spielt, tanzt und performt nicht nur auf den Bühnen der EISFABRIK, sondern auch in Nischen und Kellergewölben. Es entsteht eine multimediale Theaterinstallation.

Siehe auch: www.orpheus-commediafutura.de

Gefördert von: Land Niedersachsen, Stadt Hannover, Stiftung Niedersachsen, Stiftung Kulturregion Hannover, Stadtbezirksrat Südstadt-Bult

 


Premiere am 11. Mai 2013,
insgesamt 16 Aufführungen zwischen dem 11. Mai 2013 und 15. Jun 2013

Ensemble


Regie/Choreographie:
Maura Morales
Felix Landerer
Wolfgang A. Piontek

Musik: Christof Littmann
Videos: Volker Schreiner
Bühne: Paolali Vogt
Kostüme: Sabine Mech
Lichtdesign: Wolfgang Denker
Dramaturgie: Peter Piontek
Regieassistenz u. Abendtechnik: Jaroslaw Cernuska, Leon Matting
Technische Mitarbeit: Michael Liiv, Aaron Raidel
Administration: Judith Elbeshausen, Deniz Maschmann
Bühnenfotos: Ralf Mohr


Mit besonderem Dank an die Sprayer Manuel Gelhaus, Niko Lategahn und Andre Mühling sowie dem Fotografen Uwe Stelter

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 13.05.2013
Tanz den Hades!
von Uwe Janssen

Die Commedia Futura steigt mit „Orpheus Heartbeats" in die Unterwelt - und nimmt das Publikum gleich mit
 
Im Hades ist die Hölle los. Es riecht modrig, es ist klamm, und durch die Finsternis hört man Geräusche von We­sen, denen man nicht mal im Hellen be­gegnen möchte. Es hat zwar niemand be­hauptet, dass die Unterwelt ein Zucker­schlecken wird, aber wenn sie so ist, soll­te man sich bemühen, nicht hier zu landen. Nur Orpheus, dieser betörende Musi­kus, diese Rampensau der griechischen Sagenwelt, schert das nicht. Er steigt freiwillig hinab, um seine Eurydike wie­derzufinden. Und nun steht er da und hatte es sich wohl auch nicht ganz so schlimm vorgestellt.
Die Eisfabrik in der Südstadt bietet vielleicht den besten Theaterort in Han­nover für solch eine unheimliche Szene­rie. Der raue Industriecharme der Hallen strahlt eine natürliche verließartige Käl­te aus und ist mit wenigen Mitteln in eine schöne Hölle zu verwandeln. Gute Vo­raussetzungen also für "Orpheus Heart­beats", die neue Produktion der Comme­dia Futura in Zusammenarbeit mit Lan­derer & Company, die sich der Orpheus­ Sage auf sehr bewegliche Art zu nähern versucht.
Das gilt nicht nur für die sechs Tänzer und Schauspieler, das gilt auch für das Publikum. Denn es geht schließlich auch für Orpheus um eine Reise, und die star­tet oberirdisch, genauer gesagt im Foyer, wo er unweit des Getränkeausschanks Roy Black singt und noch einmal in Er­innerungen an ein wildes Leben schwelgt. Dann geht es abwärts, weiter, auf die erste Tanzbühne. Das Publikum reist (auf Geheiß von Reiseleiter und Re­gisseur Wolfgang A. Piontek) in den Ha­des, muss aber zuvor an den Höllenhun­den vorbei, die sich in Fesseln an den Wänden eines engen, fensterlosen Gan­ges winden.
Im Hades angekommen entfalten die sechs Akteure in der Choreografie von Felix Landerer und Maura Morales dann ihre Unterwelt . Schreiend, stöhnend, de­klamierend, panisch zappelnd einerseits, auf der anderen Seite mit einer fließen­den Eleganz und tänzerischen wie kämp­ferischen Figuren von berückender Schönheit. Mit einfachen, aber guten Ideen gelingen unheimliche und un­heimlich schöne Bilder. Nur mit dem Licht von Taschenlampen und grum­melnden Soundschleifen bauen sie eine Schattenwelt auf, vor der man sich gern gruselt. Dabei verschränken sich auch die Genres der Kunst.
Sind es nun spre­chende Tänzer oder tanzende Schauspie­ler? Dass auch noch Videos ihren Platz in der Inszenierung haben, ist bei der Fülle an Eindrücken fast schon zu viel des Gu­ten. Auf dem Weg zurück ins Licht blickt Orpheus (Christoph Linder) schließlich zurück, lässt seine Eurydike damit end­gültig los, und vielleicht ist es auch gut so. Pao Su Chiang jedenfalls legt einen fulminanten Diskotanz aufs Parkett, der das Kommen allein lohnt. Viel Applaus!

Stadtkind | 16.05.2013
hauskritik orpheus heartbeats
von Anke Wittkopp

Long story short: Orpheus der Sänger ging in die Unterwelt, um seine verstorbene Gattin Eurydike ins Leben zurückzuholen. Am Ende dreh­te er sich auf dem Weg zurück ans Licht nach der Geliebten um und machte damit alles zunichte. Genug an Vorwissen, der Rest des Abends ist pures Erleben. Mit "Orpheus Heartbeats" erwecken Regisseur W. A. Piontek und die Choreographen Felix Landerer und Maura Morales nicht nur die ganz große Liebe zum Leben - sie packen die Zuschauer direkt am Herzen und reißen sie mit in einen Hades, der nicht grauen­voller und zugleich schöner sein könnte.
Eben hat sie noch Champagner getrunken, die berauschende Diva im weißen Pelz, hat noch erfolglos um die Aufmerksamkeit des ihr ange­trauten Egomanen gebuhlt, da schreitet sie schon mit Schaum vor dem Mund aus dem Raum, vergiftet. Mit Orpheus (Christoph Linder) folgt das Publikum der rotmähnigen Eurydike (Monika Matting) aus dem Foyer in die Zentralhalle, das angrenzende Schattenreich.
Hier entfesselt sich vor den Zuschaueraugen ein grausamer Todestanz durch den Vorhof der Hölle, den Orpheus zu psychedelischem Glocken­spiel und wabernden dunklen Klängen durchleben muss, während ihm die Geliebte immer wieder im Strudel sich alptraumhaft bewegender Ge­schöpfe entrinnt. Vorwurf und Schuldfrage bleiben ungeklärt in einem Karussell aus Wahnvorstellungen, Seelenpein und fliehenden Schatten. Die verrenkten Gliedmaßen der Halbtoten winden sich unheimlich qual­voll, an anderer Stelle stellt das Licht so gezielt angespannte Muskeln und Sehnen hervor, dass die Körperlichkeit der fleischgewordenen Nachtmahre einen förmlich anspringt. Besonders die getanzte Zerrissen­heit von Pao Su Chiang mit Tatiana Marchini bringt das unerfüllbare Verlangen des verkörperten Liebespaares eindringlich dar. Was bleibt, ist Orpheus stumme Verzweiflung, denn wieder entschwindet die Geliebte in vielfacher Gestalt aus dem Licht ins namenlose Dunkel.
Auch dorthin folgt ihr das Publikum und begegnet ihr auf dem Gang durch einen nur allzu realen Folterkeller, wo sie verdreifacht und in Ket­ten gehalten, mit immer irrer werdendem Blick um Befreiung von der Sehnsucht kämpft, die sie an Orpheus bindet. Mit dem intimen Moment im stillen Discoraum und seinem filmischen Pendant werden eben jene sehnsüchtigen Erinnerungen an innige Zweisamkeit heraufbeschworen, die ewige Liebe zweifach ergreifend spürbar und doppelt verständlich. Das Gefühl der zärtlichen Rührung weicht jedoch jäh wieder dem Grau­en, als die Höllenkreaturen aus der Finsternis des Schwarzen Saals her­vorkriechen, ekelerregende Schleif-und Schmatzgeräusche, abgehacktes Flüstern und gelegentlich aufblitzende Umrisse sich voranschleppender Leiber verdichten sich mit den rohen Kerkermauern des imposanten Raumes zur Atmosphäre einer Gefängnis- oder Nervenheilanstalt aus dem 19. Jahrhundert. lm zittrigen Schein vereinzelter Taschenlampen lassen sich wie im Blair Witch Projekt schrecklich deformierte Gestalten ausmachen, die sich zum einsamen Tanz der Toten mit ihren überdi­mensionierten Schatten erheben.
Auch auf dieser schauerlichsten Etage der Unterwelt kommen Orpheus und Eurydike weder aneinander vorbei, noch voneinander los. Es kommt erneut zu aufwühlenden Szenen zwi­schen den symbolischen Paarkonstellationen, von denen man wohl den ultimativen Liebeskampf zwischen Pao Su Chiang und Marcela Ruiz Quintaro die intensivste nennen müsste, gäbe es nicht die Abschlussse­quenz zwischen Orpheus  (Christoph Linder) und seiner endgültigen Eurydike (Kristina Scheyhing). Die Schauspielerin mit dem extraordinären Aussehen und der entwaffnenden Sprechstimme ist perfekt, um dem gemarterten Orpheus zu überzeugen, dass er sie endlich loslassen muss - und ihn zu dem Entschluss zu bringen, sich umzudrehen und damit diese große Liebe vor dem sicheren Tod durch den Alltag zu retten. Bil­der aus der Unterwelt, sei dämonisch grausam wie poetisch schön, die man nicht so schnell wieder los wird ... Ein überschwängliches Lob an die Herrscher/in über das Schattenreich sowie ihr vielfältig beein­druckendes Ensemble! 

Neue Presse | 16.05.2013
Warum Orpheus sich umdreht
von Evelyn Beyer

Commedia Futura und Felix Landerer steigen für den alten Mythos in die Tiefen der Eisfabrik 

Ewig lebt die Liebe nur in der Musik: Hat sich Orpheus deshalb nach Eurydike umgedreht? Wollte er sie nicht ins trübe Licht des Alltags zerren? In „Orpheus Heartbeats“ inter­pretieren Commedia Futura und Landerer & Company den alten Mythos neu und die Industrie­katakomben der Eisfabrik geben einen malerischen Hades ab.
Die Reise in die Unterwelt beginnt im Foyer, zwei Männer und vier Frauen stehen in langen Mänteln zwischen dem warten­den Publikum, Meeresprojektio­nen umspielen sie. Bald darauf toben vier von ihnen als Partyvolk über die Empore, ein schrilles Vor­geplänkel, in dem Pao Su Chiang eine schöne Kostprobe Chine­sisch los wird, bis es zum ersten Höhepunkt in den Tanzsaal geht.
In einem rechteckigen Licht­fenster hat Felix Landerer dichte Bilder choreografiert und die vier Frauen zur vielarmigen Göt­tin aufgestellt; mit den Händen verziehen sie die Gesichter zu Fratzen, umschlingen einander, sinken zu Boden. Und während Christoph Linder Sätze über das Mörderische in der Liebe spricht -„Wir ziehen einander die Haut von den Knochen“ - tanzen die Frauen durch das Lichtfeld und sinken ins Dunkel. Es verblei­ben Tatiana Marchini und Pao Su Chiang zu einem fulminanten Duett, in das er Figuren aus dem Streetdance einfließen lässt, wäh­rend sie sich bald geschmeidig an ihn lehnt, ihn bald heftig abwehrt.
Die Ambivalenz einer nie ent­schiedenen Liebe durchzieht den Abend: ,,Für diese Wirklich­keit habe ich mich nie entschie­den", sagt Linder, vermutlich als Orpheus, und: „Lass mich los, Orpheus", wehrt sich Eurydike, da ringt Kristina Scheyhing mit ihm, dann wirbelt Marcela Ruis Quin­tero erst mit Pao, dann solo durch den Lichtfleck, wunderschöne Bil­der zu einer bedrohlichen wie ver­wehten Soundcollage. Immer wie­der sinkt sie zu Boden - logisch, dass es danach in die Unterwelt geht.
Dort in den Gängen bäumen sich an die Wände geschmiedete Gestalten in ihren Fesseln auf und zetern schaurig: „Einmal in der Liebe sein, ohne sich umzu­drehen.“ Warum der Gang erst in eine Ecke mit Diskokugel führt, bleibt rätselhaft, doch spannend ist, vom passiven Zuschauer zum aktiven Hadesgänger zu werden.
Finale im Schwarzen Saal, der Commedia Futura ersten Spiel­stätte, mit den rußgezeichne­ten Eisfabrik-Wänden: Hier zie­hen Maura Morales und Wolfgang Piontek all die theatralischen Register, für die, die Commedia Futura bekannt wurde. Großfor­matige Projektionen zeigen wie Erinnerungsschatten Orpheus und Eurydike als inniges Paar (Lin­der und Scheyhing), doch dann tobt im Dunkel die Höllenmeute, gurgelnd, winselnd, grölend, in Taschenlampenspotlichtern umherhuschend. Geisterhaft wir­ken ihre Gestalten, wenn sie, Kopf im Nacken, das Kinn anstrahlen, nicht der einzige irre Effekt dieser Episode. Auch hier wieder starke Tanzepisoden, Quintero kreiselt rasant mit fliegendem Rock in Lin­ders Arme. Was sucht Orpheus, was sucht Euridyke in der Liebe? Bestätigung, Bindung, Hingabe, Absolutheit, Partnerschaft?
Mit hoher Präsenz, Intensität und Direktheit agiert das Ensemble diverse Spielarten aus und weitet die mythische Geschichte mit starken Tanz-und Theaterbildern zum Kaleidoskop heutiger Begeg­nungen aus. Klasse Gemein­schaftsproduktion.

Video

Plakat:
ORPHEUS HEARTBEATS
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