Traumatorium
Im TRAUMATORIUM ist alles möglich, aber was ist wirklich? Und was ist Traum oder unsere Projektion? Wolfgang A. Piontek und Felix Landerer machen die Doppelgesichtigkeit von Ereignissen und die Parallelität möglicher Welten und Sichtweisen zum Thema. Indem sie die Möglichkeiten bzw. Darstellungsformen von Tanz und Theater ausloten, erzählen sie in nahezu identischen Räumen parallele Geschichten, die sich wie Traum und Wachsein, Bewußtsein und Unbewußtes zueinander verhalten, sich widersprechen, aber auch ergänzen.
In einem permanenten Prozeß der Begegnung arbeiten der Regisseur und der Choreograph und ihre Ensembles – Schauspieler hier, Tänzer da – aufeinander zu. Sie untersuchen die Auswirkungen der Träume auf den Körper ebenso wie die Tagesreste, die in Träume Eingang finden. Es entsteht ein Szenario so unwirklich wie das Leben. Als wäre es ein Stück Alltag mit seinen Banalitäten, kleinen und manchmal großen Gefühlen, seinen Beziehungsgeflechten und Katastrophen – beklemmend, absurd und komisch.
Gefördert von: Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Land Niedersachsen, Stiftung Niedersachsen, Kulturregion Hannover, Meravis, Bezirksrat Südstadt-Bult
Premiere am 12. Mai 2011,
insgesamt 18 Aufführungen zwischen dem 07. Mai 2011 und 02. Jul 2011
Mit:
Inszenierung/Regie/Choreographie: Wolfgang A. Piontek, Felix Landerer
Regieassistenz: Lukas Wegenast
Dramaturgie/Organisation: Peter Piontek
Musik: Christof Littman
Bühne: Melanie Huke
Kostüme: Sabine Mech
Videos: Volker Schreiner
Lichtdesign: Wolfgang Denker
Hannoversche Allgemeine Zeitung | 17.05.2011
Traumatorium
von Kerstin Hengst
„Traumatorium" - das klingt im ersten Moment nach Ruhe und Entspannung. Bei näherer Betrachtung sticht jedoch das Wort Trauma heraus. Und steht Sanatorium nicht auch für Psychiatrie?
Regisseur Wolfgang A. Piontek von der Commedia Futura und Choreograf Felix Landerer sind nicht gerade dafür bekannt, in ihren Arbeiten eine schöne heile Welt aufzuzeigen. Und so hat ihre erste gemeinsame Tanztheaterproduktion, die jetzt in der hannoverschen Eisfabrik Premiere feierte, recht wenig mit einer traumschönen Erholungskur für den Zuschauer zu tun.
,,Traumatorium" ist ein düsteres, rätselhaftes Stück, das Sprechtheater und Tanz bietet. Es geht um albtraumhafte Vorstellungen, die bizarre und zuweilen atemberaubend schnelle Wendungen nehmen. Im ersten Teil lässt Piontek seine Protagonisten (Jens Kraßnig, Jenny Ecke, Kristina Scheyhing) während einer nächtlichen Autofahrt in Sekundenschlaf fallen. Traum-und Erinnerungsfetzen fügen sich scheinbar zu einer Handlung zusammen. Doch ehe das Geschehen um Liebe und Tod inhaltlich greifbar wird, zerfällt alles wie ein Spiegel, der splittert. Eine Frau wird zum Frosch, der Mann will sich das Leben abrasieren. Logik? Fehlanzeige. Aber so ist es nun mal mit dem Träumen.
Landerer erweitert Pionteks Vorspiel im zweiten Teil um die sinnliche Ebene. Seine Tänzer (Tatiana Marchini, Paula Alonso Gomez und Simone Deriu) winden sich und krabbeln insektengleich zu Tonspuren aus Türenknarzen und metallischen Klängen. Der freie Choreograf, der seit dem Sieg beim Internationalen Choreographenwettbewerb im vergangenen Jahr auch vermehrt in anderen Städten arbeitet, begeistert einmal mehr mit seiner vielschichtigen Bewegungssprache. Sein Beitrag ist beklemmend und spannend zugleich. Piontek und Landerer haben sich desselben Themas angenommen. Während Piontek selbst von sich sagt, er liebe das Zuviel, setzt Landerer auf Reduktion. ,,Traumatorium" zeigt, dass das kein Widerspruch sein muss.
Neue Presse | 28.06.2011
Traum und Wirklichkeit in der Eisfabrik
von Christian Seibt
Tanz auf zwei Bühnen: In dem neuen Stück "Traumatorium" in der Eisfabrik treffen Tänzer auf Schauspieler, um den Schwebezustand zwischen Traum und Wirklichkeit auszuloten.
Eine von Anbeginn an fesselnde Inszenierung von Regisseur Wolfgang A. Piontek und Choreograf Felix Landerer (Co-Produktion von Commedia Futura und Landerer & Company): Im ersten Teil des Stückes im Schwarzen Saal gehts in einen Wohnraum, zu einer Autofahrt, man erlebt Wahrnehmungen, Träume, Visionen, Täuschungen.
Auch nach der Pause in der Zentralhalle, einem komplett schwarzen Raum. Nun liegt der Schwerpunkt auf Tanz. Wie in der Tiefsee schwebend, bewegt sich eine Solo-Tänzerin mit verbundenem Gesicht windend in Slow-Motion. Gruselig wie in einem Mystery Thriller, ragt ein Kopf (Kristina Scheyhing) im Dunkel aus der Wand, spricht: "Lass los!" Tänzer werden in die Wand und aus der Wand gezogen -eine eindrucks- und ausdrucksvolle sowie komplexe Inszenierung mit viel Dramatik (und passender Musik von Christoph Littmann und Bendix Amonat).
Viel Applaus für die Akteure Paula Alonso Gomez, Simone Deriu, Jenny Ecke, Jens Kraßnig, Tatiana Marchini und Kristina Scheyhing.
HAZ Spielzeit | 01.05.2011
Gemischtes Doppel
von K. Dzionara
Commedia Futura und Landerer&Company verknüpfen in ihrem Traumatorium Tanz und Theater zu einem Vexierspiel auf zwei Bühnen in der Eisfabrik - Zwei Männer, zwei Bühnen, zwei Erzählstile ein Projekt.
Treffpunkt und Schnittstelle dieser Koproduktion von Commedia Futura und Landerer&Company bleibt das Foyer der Eisfabrik. Zeit für eine kurze Pause: Wolfgang A Piontek, Regisseur und künstlerischer Kopf von Commedia Futura, erarbeitet im unteren Saal mit zwei Schauspielerinnen und einem Schauspieler Szenen nach Traumbildern. Eine flirrende Reise ins Unterbewusstsein - Ausgangspunkt sind die Arbeiten des amerikanischen Fotografen Gregory Crewdson, verstörende Geschichten aus dem Leben, aufwendig inszeniert wie Hollywood-Filme. Wer sich erinnert: Crewdsons rätselhafte Fotofolgen waren 2005 in Hannovers Kunstverein ausgestellt. ,,Sie dienen uns gewissermaßen als szenische Startrampe", sagt Multi-Media-Künstler Piontek. ,,Die Schauspieler werden Crewdsons Fotoinszenierungen wie virtuelle Welten betreten." Auch die Kostüme, so Piontek, erinnerten an Crewdsons Inventar. Die Textcollage setzt sich aus literarischen Vorlagen, Filmzitaten und Textfragmenten des Ensembles zusammen, die Dramaturg Peter Piontek in Form gebracht hat.
Im oberen Saal feilt der hannoversche Choreograf Felix Landerer parallel mit zwei Tänzerinnen und einem Tänzer an einer Choreografie, die ohne Worte auskommt. Ihm geht es um eine abstrakte, ästhetische Körpersprache. ,,Wir arbeiten vollkommen unterschiedlich und entwickeln verschiedene Bilder" betont Landerer. "Uns interessiert dabei, auf unterschiedlichen Ebenen das Gemeinsame herauszufiltern." Gemeinsames Thema ist der Traum - als Versuchsanordnung in einem Laboratorium mit jeweils drei Darstellern. Die Grenzen zwischen Traum und Albtraum, zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein sollen aufgehoben werden: ,,Wir machen kein Kopftheater, es geht um Emotionen, die Zuschauer müssen die Bilder ergänzen", sagt Piontek.
In einer Inszenierung in zwei Räumen, die mit Spiegelungen arbeitet und zugleich Verbindungen schafft - im Foyer als drittem Schauplatz. Denn die beiden Ensembles werden sich im Verlauf des Abends mischen. ,,Das ist schon bei den Proben sehr spannend, wenn wir gegenseitig auf unsere Szenen schauen." Piontek, Jahrgang 1955, freut sich über den Dialog mit seinem jüngeren Kollegen Landerer, Jahrgang 1975. „Ja, wir können einiges voneinander lernen“, bestätigt Landerer. Diese generationenübergreifende Produktion sei eine enorme Herausforderung. ,,Wir mögen dieselben Filme. Das ist schon einmal eine gute Basis", schmunzelt Piontek. So werde es auch im Bühnenbild durchaus Korrespondenzen geben. Die Musik hat Christof Littmann komponiert. Eine weitere Brücke in diesem Traum-Doppel.