
Himmel und Hölle
Habgier treibt den Turbokapitalismus an, die hochmütigen Zyniker regieren die Welt und der Zorn heizt allmorgendlich die Isolierzellen, mit denen wir zur Arbeit rollen. Was einstmals eine Todsünde war, gilt heute als Ausdruck von Selbstverwirklichung und modernem Lebenstil.
Dabei liegen Schwarz und Weiß, Gut und Böse eng beieinander. COMMEDIA FUTURA entwirft ein schillerndes Kaleidoskop menschlicher Leidenschaften und Eitelkeiten auf den Bühnen und in den Kellergewölben der EISFABRIK und lädt das Publikum zu einer dantesken Reise durch Himmel und Hölle ein. Tanz, Theater, Raum- und Videoinstallationen verbinden sich zu einem einzigartigen Szenario.
Mit freundlicher Unterstützung von: Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Land Niedersachsen, Fonds Darstellende Künste; Nds. Lottostiftung; Hannoversche Volksbank; Stiftung Nds. Volks- und Raiffeisenbanken; Stadtbezirksrat Südstadt-Bult; gesponsort von MLP-Finanzberatung
Gefördert von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Niedersächsischen Lottostiftung, der Stiftung Niedersachsen, dem Fonds Darstellende Künste, der Hannoverschen Volksbank und dem Stadtbezirksrat Südstadt-Bult, den Volksbanken & Raiffeisenbanken und MLP.
Premiere am 15. Nov 2008,
insgesamt 24 Aufführungen zwischen dem 15. Nov 2008 und 28. Mär 2009
Schauspieler / Tänzer
Idee/Konzept: Peter Piontek, Wolfgang A. Piontek
Regie / Choreographie: Dieter Krockauer, Felix Landerer, Wolfgang A. Piontek, Marc Prätsch, Sabine Seume, Zufit Simon
Regieassistenz: Michaela Höll
Dramaturgie: Peter Piontek
Video: Volker Schreiner
Licht: Wolfgang Denker
Kostüme: Sabine Mech
Räume: Wolfgang Heinrich, Wolfgang A. Piontek
Musik: Christof Littmann
Live-Musik: John Berta

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 24.11.2008
Himmel und Hölle
von Kerstin Hergt

Neue Presse | 17.11.2008
Odysee durch Himmel und Höllen
von Christina Milicevic
Eine dreistündige Odyssee vom Himmel zur Gegenwart bis runter in die Hölle und wieder zurück, das erlebte Sonnabend das Publikum bei der Premiere des Theater-, Tanz- und Installationsstücks „Himmel und Hölle" in der Eisfabrík. Die sieben Stationen wurden jeweils von einem anderen Akteur oder Regisseur aus dem Team der Commedia Futura inszeniert, darunter auch der bekannte hannoversche Regisseur Marc Prätsch.
Das grobe Thema in allen Räumen: die Spannung zwischen Gut und Böse. lm Himmel, also der Hauptbühne der Eisfabrik, bekriegen sich Engel mit Badminton-Schlägern. Im Schwarzen Saal, der Zwischenwelt oder Gegenwart, versuchen sich die Darsteller an Performance, gleiten unter anderem ineinander verschlungen über den Bühnenboden, doch erreichen dabei nie die offensichtlich gewollte Körperlichkeit. lm Kellergewölbe werden in drei Räumen Performances gezeigt, die zuweilen aufatmen lassen. Das ist modernes Erzähltheater. Bis auf einen Raum, in dem die Darsteller gefesselt und geknebelt auf dem Boden liegen und ein anderer ihnen Schilder mit den sieben Todsünden um den Hals hängt, das Schild mit der Aufschrift „Hochmut“ lässt er dabei hängen. Scheinbar nicht plakativ genug: Ein Engel in weißem Kleid kommt in den Raum, verkündet die Allmacht der Liebe und fordert alle auf: „Liebt!" Schnell ist klar, dass es in jedem Stück um den Verlust zwischenmenschlicher, oft auch religiöser Werte im Angesicht des Kapitalismus und der Schnelllebigkeít geht - schmerzhaft offensichtlich, dennoch zeichnet sich insgesamt ein potenter Ansatz ab, der lediglich dort verharrt, wo ein Hollywood-Blockbuster endet: Das Gute gewinnt immer. Sollte es zumindest.

Stadtkind | 18.11.2008
Himmel und Hölle
von Christine Meyer
Die sieben Todsünden oder vom höllischen Leben „Jeder braucht einen iPod, und keiner weiß, wohin die Reise geht." Alle sind auf der Suche - man schafft sich eine eigene Moral, seinen eigenen kleinen Kosmos und das dazugehörige Verständnis vom Leben. Jeder bastelt an seiner ldentität und verliert sich dabei zuweilen selbst. Das Stück „Himmel und Hölle", das seit dem 15. l\lovember in der Eisfabrik zu sehen ist, wirft große Sinnfragen auf.
In Thetaerräurnen haben verschiedene Choreographen und Regisseure in unterschiedlicher Form von Tanz und Theater die sieben Todsünden in Szene gesetzt. Eine Reise durch das Leben selbst, das Himmel und gleichzeitig Hölle sein kann. Leben und Tod, Himmel und Hölle. Klare Gegensätze, oder? Eine umfassendere Frage hätte Commedia Futura wohl kaum anpacken können.
Wer sich müde vom Tag zurückgelehnt bespielen lassen will, wird enttäuscht. Die Regisseure, Tänzer und Schauspieler haben unter der künstlerischen Leitung von Wolfgang A. Piontek in ihrem Cross-Over-Projekt Großes angefasst und erlebenswertes Theater geschaffen. Möglich, dass die lnszenierung des Freien Theater Liebhaber des klassischen Theaters wegen der zum Teil derben, experimentellen oder provokativen Darbietung abschreckt. Männer gehen zum Frühstück in den Puff, Frauen tratschen, blättern in Klatschzeitungen, verschlingen sie geradezu - und fallen neidisch über eine kleine, grazile Tänzerin her. So tragisch dies auch wirken mag, so ist die Vorstellung zu Beginn gleichermaßen urkomisch, auch wegen der gelungenen lmprovisations-Einlage. Facettenreich wird es in den nachfolgenden Szenen in jeder Hinsicht. Die großartigen schauspielerischen Leistungen lassen den permanenten Sex-Bezug verzeihen - um die Wette stöhnen zum Beispiel - und mildern Aussprüche wie „Frauen sind alle Huren“, die zwar kritisch und provokativ gemeint und zu verstehen sind, aber fragwürdig bleiben, solange nichts dagegengestellt wird.
Die geballte Energie der Schauspieler in den emotionsgeladenen Szenen werden zu lebendigen Bildern, mal phantastisch, impropressionistisch, dann wieder betont realistisch bis an die Grenze zur psychischen Neurose. Eine kohärente Struktur gibt es nicht, die einzelnen Passagen könnten auch für sich stehen, bilden ein „Kaleidoskop aus Bruchstücken unseres Lebens“. Eins dieser Bruchstücke, die Szene der Sünde “Trägheit“, macht leider ihrem Namen im negativen Sinn alle Ehre. Sei´s drum, immer berühren die lllustrationen den Zuschauer tief. Er wird auf mancher Station der Theater-Reise so stark in das Geschehen hineingezogen, dass er sich selbst als Teil des Ganzen wahrnimmt. Ein Entziehen oder Distanzieren ist fast unmöglich, der Zuschauer ist mitten drin. „Liebt“ lautet die paradoxe Aufforderung in einer der Höllen. Wenn man sich auf engem Raum, im Halbdunkel, mit am Boden liegenden, gefesselten und wimmernden Menschen befindet, erhält sie etwas Unmittelbares. Zu Füßen, auf dem kalten, staubigen Boden, liegen schmale Körper sich windend, gewaltsam verbogen und gefesselt, das bereitet Unbehagen.
„Liebe Deinen Nächsten“, sagt die Bibel, und „liebe Gott“. Gott ist für uns am Kreuz gestorben, und der Mensch bleibt selbstsüchtig, jagt falschen ldealen nach, verdrängt die Hilflosigkeit gegen den Laut der Zeit und alles trainieren im Fitness Studio hilft nichts gegen das Altern und Vergehen unserer Körper. Wir brauchen und suchen Liebe und Bestätigung, wollen sein wie Andere - bzw. Reichere, Schönere. "Menschen? Ich sehe keine Menschen, nur Funktionen. Überall Maschinen... Es atmet, wärmt sich, isst, scheißt, fickt. Es reißt ein und baut auf, es schafft und steht nie still." Und wozu? lst alles ein Spiel? Ein Kinderspiel, ja, aber im Stück heißt es, "es ist gar kein Spiel".
Dass wir schlecht sind, ist eine unerträglich frustrierende Einsicht. Das Leben erscheint leer, wenn alles wonach wir streben profan wird und selbst ´ficken` keinen Spaß mehr macht, weil es immer dasselbe ist. Das ganze Dasein ist bestimmt von Völlerei, Maßlosigkeit, aber der Mensch wird niemals satt. Es fehlt nichts, aber wir sind rastlos und unersättlich - und was bleibt, ist, nicht anders als bei Tieren, ein elendiges Dahinsiechen: Oben öffnet sich eine Tür und dahinter ist Licht. Licht am Ende des Tunnels, das den Zuschauer mit der Frage zurücklässt: lst das Leben die Hölle? Das, was wir daraus machen? Der Tod dauert das ganze Leben und hört auf, wenn er eintritt. Und am Ende "bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen. Vergeudet keine Zeit. Liebt“