WALLY & EGON - Running Wild
COMMEDIA FUTURA & Ferenc Fehér
JETZT IST SIE FORT; JETZT BEGEGNE ICH IHREM KÖRPER (Egon Schiele, Das Porträt des stillbleichen Mädchens) Der Maler und sein Modell – ein altes Thema in der Malerei. Bei Egon Schiele erfährt es eine neue Zuspitzung und führt direkt ins Zentrum seiner Kunst. Schiele zeichnete und malte seine Modelle nicht nur, er führte mit einigen von ihnen innige langjährige Liebesbeziehungen. Schieles Bilder sind verstörend, immer noch, aber nicht nur weil sie mit den Konventionen seiner Zeit brachen,
sondern auch wegen ihrer Schonungslosigkeit, ihrer Intensität und ihres extremen körperlichen Ausdrucks. Seine Bilder sind schon Tanz, könnte man sagen, auf jeden Fall sind sie eminent körperlich. Schon zu Lebzeiten sah sich der Maler mit dem Vorwurf der Pornographie konfrontiert. Für andere ist er der exemplarische Maler der Moderne zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Seine Modelle sehen den Malenden – und also auch den Betrachter an, sind nicht mehr bloße Objekte, sondern werden selbst zu Subjekten, zu Mitwirkenden.
Der ungarische Choreograph Ferenc Fehér übernimmt, unterstützt von Regisseur Wolfgang A. Piontek, das gegebene Thema mit dem Ziel, Schieles Welt - sein Wesen und sein Schaffen in eigenen Bildern zu spiegeln, durch Bewegung und Tanz, ohne dabei die Fiktion zu scheuen.
Es geht dabei nicht nur um die Perspektive des Malers, sondern ebenso um die der Gemalten: „Das Begehren von Künstler und Modell ist ein wechselseitiges Begehren“, dessen Grund, so Fehér, die Eitelkeit, eine existenzielle Eitelkeit, ohne die wir nicht leben können. Anders ausgedrückt: Der Wunsch, gesehen zu werden oder die Sehnsucht nach Liebe. Schiele sei eben deshalb in der Lage gewesen, so einzigartige Bilder zu schaffen, weil die Beziehung vor allem zu Wally Neuzil so „unglaublich tief und stark gewesen“ sei.
Wie sehr sich Fehér in die Körperlichkeit Schieles einzufühlen vermag, hat er bereits 2020 gezeigt, als er im Auftrag der EISFABRIK für die tanzOFFensive Tanzsolo SCHIELE geschaffen hat, eine 20minütige Studie, bei der er sich, vollkommen nackt, ausschließlich in einem kleinen, extrem ausgeleuchteten Quadrat bewegt (die Koproduktion wurde mittlerweile auf mehreren Festivals gezeigt).
Das Video des Stücks finden Sie auf Vimeo: https://vimeo.com
Gefördert von der Landeshauptstadt Hannover, der Stiftung Niedersachsen und der EISFABRIK aus Mitteln einer Konzeptionsförderung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und des EISFABRIK-Freundeskreises
Premiere am 18. Dez 2021,
insgesamt 5 Aufführungen zwischen dem 18. Dez 2021 und 02. Jul 2022
Ensemble
Von und mit:
Jakub Pewinsky und Karolina Paczkowska (Tanz)
Ferenc Fehér (Choreographie)
Wolfgang A. Piontek (Regie, Bühne)
Inka Grund und Peter Piontek (Dramaturgie)
Mo Heidrich (Musik)
Jörg Finger (Lichtdesign)
Volker Schreiner (Videos)
Sabine Mech (Kostüme)
Hannoversche Allgemeine | 18.12.2021
Premiere Wally & Egon Running Wild von Commedia Futura
von Ronald Meyer-Arlt
Das Tanztheater (inszeniert von Wolfgang A. Piontek und Ference Fehér) findet im Keller (schwarzer Saal) der Eisfabrik statt. „Wally & Egon – Running wild“ ist die letzte Produktion der „Tanzoffensive“, mit der sich die Commedia Futura in diesem Jahr dem zeitgenössischen Tanz gewidmet hat. In dem Stück geht es um das Verhältnis des Malers Egon Schiele zu seinem Modell (und seiner Freundin) Wally Neuzil. Die Tänzerin Karolina Paczkowska, die mit ihrem Partner Jakub Pewinski auf der Bühne steht, tanzt hingebungsvoll und wild. Und sie tanzt nicht nur, sie schreit auch und stöhnt und keucht und lacht. Zwischen der Bühne und erster Reihe gibt es keinen Abstand. Die Zuschauer hier sitzen in einem mächtigen Aerosolnebel. Man hofft, dass die Tänzerin geimpft und vor der Vorstellung auch getestet wurde.
Später bestätigt der Regisseur, dass es bei den Proben und vor der Premiere regelmäßige Tests gegeben habe. Und dass die Tänzerin geimpft sei.
Wie schön, dass sie das nicht als Einschränkung ihrer Freiheit aufgefasst hat, oder dass sie eben bereit war, diese notwendige Einschränkung zum Schutz der anderen hinzunehmen.