Die sehr freie Adaption von Fernando Garcia Lorcas “Bernarda Albas Haus“ ... wurde zu einer sehr runden Sache mit vielen Nuancen von Humor und Tragik. (Neue Presse)

Wie Gefangene hält Bernarda Alba ihre Töchter in ihren Zimmern. Die Mädchen sticken an ihrer Ausstattung, auf deren Verwendung sie kaum hoffen dürfen. Lediglich Angustias, die hässliche Älteste, hat Aussicht, dem Gefängnis zu entkommen. Doch dann verliebt sich ihr Verlobter Pepe in ihre jüngste Schwester, und das Unheil nimmt seinen Lauf. Der Versuch eines Ausbruchs in das Leben endet mit dem Tod.

COMMEDIA FUTURA unternimmt mit diesem Stück, das dekonstruktivistische Verfahren der Wooster-Group und die Erfahrung der “Andy Warhol“-Inszenierung auf einen Klassiker des modernen Theaters anzuwenden. Der Text ist erheblich gekürzt, um Raum für andere Erzählformen zu schaffen wie Bewegungssequenzen und Video-Einspielungen. Die Aus-

einandersetzung zwischen individuellen Glücksansprüchen und sittlichen Normen wird nicht psychologisch-realistisch dargestellt, sondern zu archaisch-archetypischen Konstellationen und Konflikten verdichtet.

 

Gefördert von der Stadt Hannover.


Premiere am 31. Mär 1996,
insgesamt 22 Aufführungen zwischen dem 31. Mär 1996 und 19. Mai 1996

COMMEDIA FUTURA OnTour:
13. Apr 1996 Festival Artgender Kopenhagen, DK
14. Apr 1996 Festival Artgender Kopenhagen, DK

Ensemble


Konzept: Rolf Heim
Inszenierung: Rolf Heim
Regieassistenz: Cora Langhorst
Bühne: Rolf Heim,Wolfgang A. Piontek
Kostüme: Gruppe
Musik: Maxwell Smart
Videos: Rolf Heim
Lichtdesign: Wolfgang Denker

Hannoversches Wochenblatt | 17.04.1996
Rolf Heim inszeniert Garcia Lorca in der „Eisfabrik“
von chi

Eine eigenwillige Form von modernem Theater zeigt die Commedia Futura mit ihrer aktuellen Produktion „daHeim bei Alba“. Die Inszenierung nach Frederico Garcia Lorcas Frauentragödie „La Casa de Bernada Alba“ läuft seit Beginn dieses Monats erfolgreich in der „Eisfabrik“ in der Seilerstraße 15 -17. Wie Gefangene hält die tyrannische Bernada Alba ihre Töchter in deren Zimmern. Abgeschottet von der Außenwelt agieren die Töchter wie Marionetten der Mutter. Deren Motto lautet: „Ich will eine schöne Fassade und Einigkeit in der Familie, verstanden!“ Garcia Lorca behandelt in seinem Stück typische Verhaltensmuster, wie sie Menschen entwickeln, die unter einem Tyrannen leben: Sie wehren sich, passen sich an, denunzieren einander - jedoch am Ende hält Bernada die Fäden nur scheinbar in der Hand, das Geschehen entgleitet ihr mehr und mehr und gipfelt schließlich in einem tragischen Höhepunkt. Der dreiteilige Titel der Produktion „daHeim bei Alba. La Casa de Bernada Alba. Commedia Futura spielt Lorca“ weist schon auf die experimentelle Umsetzung des klassischen Stücks hin. Regisseur Rolf Heim, der auch schon „Gilgamesch“ und „Andy War-hol“ inszenierte, reduzierte den Text von Lorcas Werk und schaffte so Raum für Bewegungssequenzen und Videoein-spielungen. „Daheim bei Alba“ ist eine Szenencollage von Musik, Sprach- und Tanzperformance, in der sowohl tragische als auch komische Elemente Platz haben. Getragen wird das Stück vor allem durch die ausdrucksstarke und überzeugende Darstellung der fünf Schauspielerinnen.

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 02.04.1996
Bernardas Puppen tanzen - COMMEDIA FUTURA/ Lorca in schillernden Scherben
von Dz

Die Töchter stampfen im Takt. Die Mutter gibt das Tempo vor. Verformte Marionetten verfangen sich in ihren verformten Träumen. Die Mutter will das nicht begreifen. Sie will weiterhin den Ton angeben. Sie will eine schöne Fassade. Um jeden Preis. In Lorcas Frauentragödie „Bernarda Albas Haus“ kämpft die despotische Frau hart, aber vergeblich um den Erhalt überlebter Konventionen. Die Commedia Futura spielt mit Lorcas Stück schrilles experimentelles Theater, zertrümmert den Klassiker bis auf wenige Kernsätze, um ihn als Collage aus Musik, Tanz und Sprachperformance wieder zusammenzusetzen: In „daHeim bei Alba“ sprengen die Triebe der Töchter - hier sind es nur vier anstatt der fünf im Original - ungestüm die Mauern des Schweigens. Doch die jungen Frauen sind zu Puppen verkommen, zu grotesken Comic-Figuren fern von Spanien, die nicht einmal mehr miteinander reden können. An Stelle von Dialogen hauchen oder stammeln sie, auf dem Rücken mit Nummern versehen, Monologfetzen in ein Mikrofon. Satz- und Szenensequenzen wiederholen sich, eine Choreographie der Worte und Gesten ersetzt weite Teile des Textes. Nur für Momente treten die Figuren als Individuen auf, gleich darauf gehen sie im Gleichschritt der Schwestern wieder unter. Rolf Heim hat eine eigenwillige Ver-sion des Frauenstückes auf die Bühne der Eisfabrik gebracht, die er zusammen mit Wolfgang Piontek als schwarzen Käfig eingerichtet hat. Ein Fenster weist den Weg ins Licht und verlockt mit einem Muster aus kunterbunten Kugeln zu zuckrigen Jungmädchenträumen. Doch es bleibt geschlossen, der Zaun davor verwehrt zusätzlich die Flucht aus Bernardas Höllenhaus. Monika Matting als Bernarda drangsaliert die Mädchen wie eine unbelehrbare Menschenschinderin. Ihren Krückstock schwingt sie wie eine Peitsche, ihr Zigarrenqualm vernebelt die Sinne der Töchter, die ihre Lust auf Männer immer weniger verbergen können. Ihre Tänze werden wilder, ihre Bewegungen freier. Bernardas Macht ist gebrochen. Ihre Jüngste (Helle Porksen als Adela) hat den Mann verführt, den sie für die Älteste, die verhärmt-verklemmte Angustias (Helene Kvint), vorgesehen hatte. Adela tötet sich. Die Mutter bleibt kalt. Sie denkt nur daran, wie sie den Schein wahren kann. Selten jedoch ist ein Selbstmord frecher und ironischer über die Bühne gegangen als der von Adela: Sie erscheint als ihr eigenes Video und verläßt auf diese Weise lachend Bernardas Heim. Viel Beifall für das waghalsige „Unternehmen Lorca“ mit seinem Mut zur Komik bei aller Tragik um die malträtierten Frauenseelen.

Neue Presse | 02.04.1996
Flotte Szenenfolge um eine tyrannische Mutter und ihre vier gestörten Töchter - Premiere von „Daheim bei Alba" der Commedia Futura
von Jörg Worat

„Ich will ein schöne Fassade", schnarrt die alte Schreckschraube, „und Einigkeit in der Familie, verstanden?" Eine der gräßlichsten Frauenfiguren der Literaturgeschichte hat sich Commedia Futura im neuen Stück „Daheim bei Alba" vorgenommen. Bei der Premiere in der Eisfabrik gab's trotz ausreichender Vorbestellungen leere Plätze -wohl Folge der Grippewelle.

Auch das weibliche Sextett, das hier unter der Regie des Schweizers Rolf Heim auf der Bühne stand, war gesundheitlich teilweise angeschlagen. Wer's nicht wußte, dürfte davon allerdings nichts bemerkt
haben: Die sehr freie Adaption von Federico Garcia Lorcas „Bernarda Albas Haus" aus dem Jahre 1936 wurde zu einer sehr runden Sache mit vielen Nuancen von Humor und Tragik.

Die vier erwachsenen Töchter der Bernarda Alba führen ein Leben wie im Knast. Mit eisernem Besen regiert die tyrannische Mutter, unterbindet Kontakte zur Außenwelt und alles andere, was irgendwie Spaß verspricht. Kein Wunder, daß die Mädels allesamt einen schweren Dachschaden haben.

Regisseur Heim hat aus dieser Grundsituation eine flotte Szenenfolge gemacht, dabei die Körpersprache betont. Es gab Musik vom Band, außerdem Live-Gesänge, darunter einen regelrechten Ohrwurm, den zwei der Darstellerinnen geschrieben haben. Bei der Commedia darf natürlich auch das Video-Element nicht fehlen: besonders gelungen diesmal, weil wunderbar unaufdringlich.
Monika Matting als einzige Deutsche im Ensemble gab die Bernarda (die ihrem Typ eigentlich total entgegenläuft) angemessen ekelhaft. Ihre fünf dänischen Mitstreiterinnen hielten das Niveau.

Helene Kvint: eine düstere Angustias mit manischen Anwandlungen. Helle Pörksen: ihre Adela schien erste Symptome von Dementia praecox an den Tag zu legen. Hanne Siboni Gravesen: als Amelia mit ausgeprägt hysterischen Zügen sehr komisch. Karoline Lieberkind: eine gräßlich ordinäre Martirio irgendwo im Niemandsland zwischen Dumpfheit und Schwachsinn. Und Vibe Andersen: als Magd La Poncia überzeugend zwischen Aufbegehren und Anpassung schwankend. Sehr schöne, genaue Charakterstudien. Und nachdem das vielseitige Treiben ein finsteres Ende gefunden hatte (denn, so lehrt uns diese Inszenierung, Dauerdruck geht niemals gut), gab es viel herzlichen Applaus. Kritik? Ja, doch: Der Titel des Stücks ist recht affig, und zwei, : drei Passagen hätten ein biß- < chen mehr Zug vertragen. Än- ( dert aber nichts daran, daß dies I eine im Wortsinne reife Leistung war, die man sich unbedingt anschauen sollte.

Hannoversche Allgemeine | 29.03.1996
Proben mit dem großen Geheimnis: Commedia Futura versucht sich an Lorca

"Ich finde die Frau zum kotzen" Monika Matting kann ihrer Rolle keine sympathische Seite abgewinnen. In der neuen Inszenierung der Commedia Futura „daHeim bei Alba“ nach dem Klassiker von Federico Garcia Lorca spielt sie die tyrannische Mutter Bernarda Alba. Sie hält ihre vier Töchter und das Dienstmädchen wie Gefangene, kontrolliert jeden Schritt, besessen davon, den vermeintlich guten Ruf der Familie zu wahren. Nur die Älteste darf abends mit dem von der Mutter ausgesuchten Verlobten am Fenster sprechen. An diesem Mann entzünden sich die Phantasien der Mädchen. Neid und Eifersucht beginnen, die ohnehin gespannte Atmosphäre ins Unerträgliche zu steigern.

Nur scheinbar hält Bernarda alle Fäden in den Händen“ , erklärt Monika Matting. Doch das Geschehen entziehe sich immer mehr ihrer Kontrolle.

Diese Gebrochenheit der Figur, die Zerrissenheit zwischen Machtanspruch und Ohnmacht, interessiert die Schauspielerin am stärksten, doch sieht sie ein weiteres großes Thema. „Innerhalb dieser Familie zeichnet sich ab, was sich auch in gesellschaftlichen Prozessen nachweisen läßt: die maßlose Selbstgerechtigkeit von Diktatoren, Parteien, von Landesvätern und -müttern, die an ihrem Ideologien festhalten, obwohl um sie herum alles zusammenbricht.“ Bernardas Motto leistet diesem Ansatz Vorschub. Sie wollen eine schöne Fassade, gesteht sie, die Herzen der Menschen gingen sie nichts an.

Regisseur Rolf Heim, der auch das „Gilgamesch“- Projekt in der Eisfabrik inszeniert hatte, transportiert die Handlung in die schrillen siebziger Jahre. Lorcas Originaltext hat er um nicht weniger als siebzig Prozent gekürzt, um so Raum zu schaffen für experimentelle Ausdrucksformen, für Tanz, Videoeinspielungen und Sprach-Performance.

Seine Figuren agieren kaum miteinander, treten vielmehr allein vor Mikrophone, bleiben isoliert, jede in ihrer eigenen Hölle gefangen. Nicht die innere Entwicklung der Charaktere steht in dieser Version des Stücks im Vordergrund, sondern die bedrückende Atmosphäre der szenischen Bilder.

Die sich stetig steigernde Spannung innerhalb der Familie gibt der Geschichte ihren Zusammenhalt.

Bei den Proben hat Rolf Heim die Tendenz, die Szenen von Mal zu Mal umzustellen, die Handlungen zu zerstückeln“, berichtet Monika Matting von der sechswöchigen Arbeit mit dem Schweizer Regisseur. Das Stück müsse als Ganzes funktionieren und einen eigenen Rhythmus entwickeln. Die Geschichte der einzelnen Figuren trete dagegen in den Hintergrund.

So wird auch in diesen letzten Tagen vor der Premiere weiter experimentiert, improvisiert, montiert. Die endgültige Version ist noch immer nicht gefunden. Bis zuletzt bleibt ein Geheimnis um die Tragödie "daHeim bei Alba“.

 

 

Plakat:
Daheim bei Alba
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