Penelope – Unbekannt verzogen
Wandlungsfähigkeit bleibt das Merkmal dieses beeindruckenden ... Solos. (HAZ) Was macht Penelope? Penelope wartet, auf Odysseus, den edlen Dulder und Helden, der derweil vielleicht bei Kalypso liegt oder …
Penelope wartet, den Teppich knüpfend und wieder auflösend, dessen Fertigstellung den Freiern im Palast ihre endliche Heiratsbereitschaft anzeigen würde. Soweit Homer.
bei Nausikaa und gar nicht mehr so recht weiß, wie er den Heimweg finden soll.
Inge Merkel hat in ihrem Penelope-Buch “Eine ganz gewöhnliche Ehe“ ganz andere Bilder der wartenden Frau entworfen. Bei ihr gibt es auch die Aufbegehrende und die mit dem Gedanken an Abenteuer Spielende, der dabei doch immer das Bild des fernen Gatten vor Augen steht.
Noch schonungsloser leuchten Monika Matting und Gregor Weber die Phänomene des Wartens aus. Da werden die Bilder der edlen Wartenden endgültig abgelöst durch handfeste Zustandsbeschreibungen, die nichts mehr beschönigen. Wer kennt sie nicht, die innere Leere, die sich breit macht, wenn der geliebte Partner sich auf unbestimmte Zeit verabschiedet hat. Und was tun gegen die Vereinsamung? Ein bisschen verrückt spielen? Zur Flasche greifen? In hysterische Putzsucht ausbrechen? Fressen und vergessen? Das vielleicht auch, aber die Produktion von COMMEDIA FUTURA erschöpft sich nicht in Banalitäten. Matting und Weber verbinden Alltagsfrust mit gleichsam mystischen Zuständen.
Penelope, das ist auch eine alternde Frau, an der der Gram nagt und die die Sehnsucht nach Liebe wieder aufputscht. Und sie ist die Hexe, die durch alle Extreme treibt. Eine außerge-wöhnliche Frau, die sich nur mit außergewöhnlichen Mitteln beschreiben lässt. Allemal sehenswert also - auch für Odysseus.
Gefördert von der Stadt Hannover und dem Land Niedersachsen.
Premiere am 05. Apr 1997,
insgesamt 25 Aufführungen zwischen dem 05. Apr 1997 und 13. Sep 1997
COMMEDIA FUTURA OnTour:
04. Sep 1997 Rotebühltreff/ Rotebühlplatz Stuttgart
12. Sep 1997 Kulturfabrik Löseke Hildesheim
13. Sep 1997 Kulturfabrik Löseke Hildesheim
Ensemble
Konzept: Monika Matting
Inszenierung: Gregor Weber
Regieassistenz: Cathrin Flecks
Bühne: Klaus Lösche, Gerd Scholze, Oliver Falck
Kostüme: Jana Hanusova
Musik: Uwe Vogel
Lichtdesign: Wolfgang Denker
Bild | 09.04.1997
Und einsam trommelt Penelope...
von Janus Baumann
Penelope kennt man üblicherweise als die rnusterhafte Ehefrau, die 20 Jahre auf den umherziehenden Göttergatten Odysseus wartet. Die Commedia Futura in der Eisfabrík sieht das ein wenig anders, präsentiert das Thema in „Unbekannt verzogen - Penelope” aus weiblicher Sicht. Odysseus taucht zur Sicherheit gar nicht erst auf, Monika Matting hat die Bühne ganz für sich. Sehr edel gebärdet sie sich nicht. Zu Beginn schleicht die Protagonistin als fette Frust-Fresserin herum,später scheint sie, von Stimmen geplagt, dem Wahnsinn zu verfallen. Und schließlich wird es mystisch: In einer rituellen Sequenz macht sich Penelope zu magischer Trommelmusik auf, um als neuer Mensch der Zukunft entgegenzuschreiten.
Monika Matting ist äußerst intensiv, erhebt ihre Stimme aus resignativem Gemurmel zu irrem Geschrei und verlangt ihrem Körper in manchen grotesk wirkenden Tanzszenen das letzte ab - da hat auch Regisseur Gregor Weber ganze Arbeit geleistet. „Schön anzusehen“ ist das alles nicht, das Premierenpublikum klatscht dennoch lange und heftig. Zu Recht: Die Inszenierung ist stimmig und keine Sekunde langweilig.
Hannoversches Wochenblatt | 11.04.1997
Penelope aus rein weiblicher Sicht
von Jörg Worat
Penelope kennt man üblicherweise als die musterhafte Ehefrau, die zwanzig Jahre lang auf den umherschweífenden Göttergatten Odysseus wartet. Die Theatergruppe Commedia Futura in der Eisfabrik sieht das ein wenig anders, präsentiert das Thema in "Unbekannt verzogen - Penelope" einmal aus rein weiblicher Sicht.
Odysseus taucht zur Sicherheit erst gar nicht auf, Monika Matting hat die Bühne ganz für sich. Sehr edel gebärdet sie sich freilich nicht. Zu Beginn schleicht die Protagonistin als fette Frust-Fresserin herum, später scheint sie, von Stimmen geplagt, dem Wahnsinn zu verfallen.
Und schließlich wird es mystisch: In einer rituellen Sequenz macht sich Penelope auf, als neuer Mensch der Zukunft entgegenzuschreiten, Monika Matting ist äußerst intensiv, erhebt ihre Stimme aus resignativem Gemurmel zu ihrem Geschrei und verlangt ihrem Körper in manchen grotesk wirkenden Tanz-Szenen das letzte ab - da hat auch Regisseur Gregor Weber ganze Arbeit geleistet.
Schön ist das alles nicht, das Premierenpublikum klatschte dennoch Iange und heftig. Zu Recht: die Inszenierung ist schlüssig und keine Sekunde langweilig.
Hildesheimer Allgemeine Zeitung | 16.09.1997
Reigen weiblicher Wiedrholungszwänge kreiert
von la
Undurchsichtig: Monika Matting zeigt Penelope-Szenen bei Löseke
„Eíns, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, wo ist bloß mein Mann geblieben?“ Eine Frau wartet. Sie wartet auf einen Mann, der nur dann zu Hause sein kann, wenn er von irgendwoher zurückgekommen ist. Die Frau bleibt und ist zu Hause, wo es etwas oder nichts zu erwarten gibt. Monika Matting vom Theater „Commedia Futura“ aus Hannover hat in Penelope die lnkarnation der weiblichen Wartenden erkannt und in ihrem gleichnamigen Stück, unzusammenhängenden Szenen folgend, einen theatralischen Reigen weiblicher Selbstsabotageformen und Wiederholungszwänge kreiert. Vom Sahneschlecken aus der Form gegangen (eine ausgestopfte Skihose spielt diesen Kostümpart), wartet Penelope auf den Odysseus ihrer archaischen Frauenträume, im Grunde aber natürlich auf sich selbst. Aber das weiß sie erst zum Schluß.
Frau bleibt aber nicht dick und träge. Dieses Leidenssymptom (dessen allgemeine Ursache der Fantasie der Zuschauer überlassen bleibt) wird bald abgelöst („Fetthose“ runter) von pantomimisch inszenierten Episoden des Wartens (Tom Waits singt dazu „Time, Time,Time“). Die entgleisenden und zeitweise grimassenhaft erstarrten Gesichtszüge der durchaus körper- und mimik-beherrschten Schauspielerin spiegeln mit unter eindringlich die Unfähigkeit der Heldin (aller Frauen?), aus der (eigenen) Haut (fahren) zu können. Ein weißer Herrenschuh wird zwischendurch zum Fetisch erklärt und von Penelope liebkost, ein kurzfristiges Erwachen aus der masochistischen Warteschleife wird dadurch, warum auch immer, möglich.
Der (enge) Bühnen-Raum der Protagonistin wird durch eine Tür und einen Stuhl bestimmt, Schuhe liegen vereinzelt herum und mögen für Erfahrungen, beschrittene Wege oder für Bewegungswünsche stehen. Sprachversatzstücke, Altbekanntes aus Beziehungs-Gesprächen, Worte „verheirateter“ Männer, Mißverständnisse, Kommunikationsstörungen werden besonders stark und interessant von der Solo-Akteurin szenisch pointiert verarbeitet. Ihr Raum ist dann der Schwellenraum, wie im Käfig läuft die Frau vor der Tür hin und her, die sich ja doch nicht nach innen öffnen wird. Derbe Stiefel und ein Männermantel schützen nicht vor der Implosion der Aggression. Er geht fremd, sie wird sich fremd, alles ganz vertraute Muster.
„Warten Frauen anders als Männer?“ Das weibliche Einrichten in der Selbstentfremdung liegt dieser Inszenierung am Herzen. „Warten Frauen anders als Männer?“ formuliert das Programm. Die Botschaft dieser selten authentisch, meistens von konstruierten Gefühlen und undurchsichtigen Situationen zugestellten Performance, die nur in den kleinen Gesten ihre großen Momente erlebt, will die Geschichte aller Frauen erzählen, und darin liegt ihr selbstüberfordernder Fehl-Anspruch.
„Odysseus und Penelope. Eine ganz gewöhnliche Ehe“ heißt ein Buch von Inge Merkel, auf das sich dieses Theaterstück bezieht. Eigentlich ein Versuch, das Allgemeine besonders zu machen. Das hätte auch diese Inszenierung versuchen sollen. Statt dessen verliert sich die Akteurin in Zeige-Riten, bleibt vermittelt verrätselt und verliert in narzißtischer Selbstbespiegelung das Publikum aus den Augen. Daß die Frau als Opfer nicht nur gezeigt, sondern auch parodiert wird, gehört zu den klugen Einsichten des an sich mutigen Theater-Versuchs.
Aber Identifikation läuft nicht über ein „Ich“, das behauptet von „Allen“ zu reden und zu zeigen. Das Puzzle ergibt kein Bild, was man leider erst zu spät entdeckt. Der Applaus in der Kulturfabrik fiel freundlich, aber auch zurückhaltend aus.