So zeigt »Beziehungsmeer« eigentlich einen menschlichen »Sumpf«, dies aber in bedrückend schönen, ästhetisierenden, zu weilen filmhaften Einstellungen – in Menschenbildern, die von der enorm tänzerischen und schauspielerischen Leistung, der sinnlichen Intensität der Darsteller und der Klang- und Bildzusammenstellung leben. (Braunschweiger Zeitung)

Ein Mann am Meer zeichnet mit einem Finger Linien in den Sand. Sucht er nach Muscheln? Malt er gedankenlos vor sich hin? – Bilder vom Meer, vom Auf und Ab der Wellen als ein Symbol für das Hin und Her menschlicher Beziehungen, um die es in diesem Stück geht.

»Das Beziehungsmee(h)r« zeigt die Suche eines Menschen, eines Strandläufers in der Gesellschaft, nach einem idealen Partner. Frauen erscheinen diesem Mann mal als folienverdeckte, schillernde Wesen aus einem fremden Element, als stilisierte, geheimnisvolle »Meeresfrüchte«, dann, stets zu Aggressionen bereit, als geschlossene Gruppe agierend, die den Mann wie die Kugel im Flipperautomaten hin- und herschnellen lassen. Bis der Beziehungsschwimmer seine Partnerin findet...


Premiere am 09. Okt 1982,
insgesamt 7 Aufführungen zwischen dem 09. Okt 1982 und 13. Mär 1983

COMMEDIA FUTURA OnTour:
09. Okt 1982 Lister Turm
19. Nov 1982 Lister Turm
21. Jan 1983 Lister Turm
22. Jan 1983 Lister Turm
12. Mär 1983 Theatron Braunschweig
13. Mär 1983 Wolfsburg

Ensemble


Konzept: Wolfgang A. Piontek
Inszenierung:Wolfgang A. Piontek
Choreographie: Katinka Zecher, Angelika Saremba
Bühne: Frank Fuhrmann, Michael Habelitz, Wolfgang A. Piontek
Kostüme: Gruppe
Musik: Gruppe
Projektion: Michael Habelitz, Wolfgang A. Piontek
Lichtdesign: Frank Fuhrmann

BRAUNSCHWEIGER ZEITUNG | 15.03.1983
Tödlicher Tango
von Gabriela Jaskulla

Ein Mann am Meer zeichnet mit einem Finger Linien in den Sand. Sucht er nach Muscheln? Malt er gedankenlos vor sich hin? — Bilder vom Meeer, vom Auf und Ab der Wellen als einem Symbol für das Hin und Her menschlicher Beziehungen brachte die Theatergruppe „Commedia Futura“ aus Hannover am Sonnabend in den graugroßen Saal des FreiBiZe, wo die siebzehn jungen Leute auf Einladung der Initiative „theatron e. V.“ ihre theatralische Collage „Beziehungsmeer“ vor etwa zweihundertfünfzig Zuschauern spielten.

„Beziehungsmeer“ (in der zweiten Hälfte des Kompositums wahlweise auch mit „h“ zu schreiben) stammt aus der Feder des HBK-Schülers Wolfgang Piontek, der auch die Dias nach Motiven von Max Ernst, Rene Magritte u. a. gestaltete. „Beziehungsmeer“ zeigt die Suche eines Menschen, eines „Strandläufers“ in der Gesellschaft, nach einem idealen Partner. Frauen erscheinen diesem Mann (Michael Habelitz) mal als folienverdeckte, schillernde Wesen aus einem fremden Element, als stilisierte, geheimnisvolle „Meeresfrüchte“, dann aber als stets zu Aggressionen bereite, in einer Gruppe geschlossen agierende Figuren, die den Mann wie die Kugel im Flipperautomaten hin- und herschnellen lassen. Irgendwann — wie, ist ebenso gleichgültig wie Gründe menschlichen Verhaltens — findet der „Beziehungsschwimmer“ (so Piontek) seine Partnerin (Katinka Zechner). Und wenn man nun versucht ist, über der Schönheit der getanzten und pantomimisch dargestellten Liebe die Distanz der beiden zu vergessen, so erinnert Teil II des Dialogs „Liebst du mich“ von Ronald D. Laing oder ein leitmotivisch benutzter Tango an die Tödlichkeit der Beziehungen: Man schiebt sich hin und her, man quält sich, der Partner macht mittels Erschießung anderen Partnern Platz, die wiederum abgelöst werden ... Menschen enden als Strandgut. So zeigt „Beziehungsmeer“ eigentlich einen menschlichen „Sumpf“, dies aber in berückend schönen, ästhetisierenden, zuweilen filmhaften Einstellungen — in Menschenbildern, die von der enormen tänzerischen und schauspielerischen Leistung, der sinnlichen Intensität der Darsteller und der Klang- und Bildzusammenstellung lebten.

So überzeugte nicht nur der provozierende Inhalt des Stückes, sondern auch die Konzeption der „Commedia Futura“, die nach dem Vorbild der Pina Bausch und des Modern Dance einen eigenwilligen Stil zwischen klassischem Manierismus und Performance Kunst entwickelt hat.

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 14.10.1982
Ideallösungen will die Commedia Futura nicht bieten - Bisher unbekannte Theatergruppe lockte viele Besucher an
von n.h.

Überrascht war Wolfgang Piontek, als er die Bühne im Saat des Freizeitheimes Lister Turm betrat, um die Premiere des von ihm geschriebenen und inszenierten Theaterstücks „Das Beziehungsmeer" anzusagen: Die Aufführung der unbekannten Theatergruppe Commedia Futura war bis auf den letzten Piatz ausverkauft, viele Besucher mußten sich mit Stehplätzen begnügen. Die 16 Akteure hatten sich erst im März dieses Jahres zusammengefunden, um mit dem „Beziehungsmeer“ ein Experiment zu beginnen, das eine erste Stufe zu anderen Darsteilungsformen sein soll.
Fast jedes Gruppenmitglied bringt neben künstlerischem Interesse Erfahrung mit, sei es aus Ballett, Schauspiel, Fotografie oder bildender Kunst. Sie brachten dieses Wissen in das Stück mit ein, so daß eine Synthese aus verschiedenen Kunstrichtungen entstand. Die neu ins Programm aufgenomme-ne Einleitung ist da eine Ausnahme - nur Angelika Saremba, ausgebildete Tänzerin,
bestreitet diese Ballettszene. In allen anderen Szenen versucht die Gruppe, zu gleichen Teilen mit Diaprojektion, Balietteinlagen, Kostümen und spärlich ausgestattetem Bühnenbild, die Suche eines Mannes nach zwischenmenschlichen Beziehungen darzustellen.

Dieser „Beziehungsschwimmer“ lernt auf seiner Reise durch 23 Szenen Stationen von Leid, Sehnsucht und Haß kennen, aber auch von Freude, Lust und Freiheit. Das Ende, seines Weges ist ein Beispiel für die von Piontek beabsichtigte Doppeldeutigkeit des Stücks (Beziehungsmehr und -meer): Mann, und Frau möchten sich voneinander trennen, werden aber durch Erinnerungen zusammengehalten - versinnbildlicht durch einen Strick, mit dem sich die Akteure zusammengebunden haben.

Das Thema Beziehungen ist von Wolfgang Piontek bewußt gewählt worden, denn Menschen und ihre Probleme, miteinander umzugehen, stehen für ihn im Vordergrund. Dennoch soll aber das zweiteilige Theaterstück keinen Ausweg zeigen, da es auf dem Weg aus der „Unfähigkeit, menschlich zu sein“, so Piontek, keine Ideallösungen gäbe. Daß das Stück schwierig sei, habe er bereits bei den Proben erkannt, die zuletzt viermal wöchentlich in verschiedenen Schulräumen stattfanden. Bestes Beispiel dafür, daß das „Beziehungsmeer“ auch von weniger erfahrenem Theaterpublikum verstanden werde, sei für ihn die Mitarbeit des 64jährigen Werner Malinowski: Der gelernte Uhrmacher ist Elektriker bei den Stadtwerken und übernahm die Rolle des Beleuchters. Auch den Einwand, daß der Begriff „Beziehung“ kaum noch einen Inhalt hat, läßt Wolfgang Piontek nicht gelten: „Das Wort lügt nicht, nur das, was dahinter steht. Bei uns wird nicht diskutiert, sondern gelebt.“

Obwohl die Vorstellungen von künftigen Projekten auseinandergehen, steht doch fest, so Stefan Bochnig von der Commedia Futura, daß das Stück nicht Tendenz für die Zukunft, sondern ein Anfang sein soll. Unter der Voraussetzung, auch weiterhin Erfolg zu haben, kann sich Gruppenmitgiied Katrin Winkler sogar vorstellen, professionell weiterzumachen.

Als die Gruppe kürzlich in Clownverkleidung Theatereinladungen verteilte, konnte sie bereits erste Erfahrungen mit einem anderen Medium sammeln, dem Straßentheater: Wolfgang Piontek erinnert sich an einen Marktschreier, der fürchtete, „das wir ihm die Preise verderben“, und an einige Leute, die „glaubten, wir seien vom Zirkus Roncalli“. Am Sonnabend, 16. Oktober, soll ab 20 Uhr im Lister Turm eine zweite Aufführung stattfinden. Kommt ihr „Beziehungsmeer“ auch dann so gut an, will die Gruppe ihr Gastspiel im Freizeitheim vielleicht noch verlängern.

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 14.10.1982
Tänze aus der „Beziehungskiste''
von KD

„Das Geheimnis“, das die Tanzgruppe Commedia Futura vorzeigte, war der „Beziehungskiste“ entnommen. Mehrere Paare stellten Verhaltensweisen aus den Beziehungen zwischen Mann und Frau vor: Umschubsen des Partners wechselte in ein fesselndes Umklammern, graziöse Schritte in ein trampelndes Laufen, Streicheleinheiten und Umarmungen eines anderen Duos verwandelten sich plötzlich zu Auseinandersetzungen. In einer anderen Szene brachte der Tänzer, bekleidet mit einer auffallend derben Lederhose, seine Partnerin öfters zu Boden, aber es gelang ihr immer wieder, sich von ihm zu lösen.

Die aus Musikfetzen konstruierte Geräuschkulisse (per Tonband abgespielt) steigerte noch die Farbigkeit in den oft hektischen Körperbewegungen. Im Schlußteil steigerten die Tänzer und Tänzerinnen der Gruppe Commedia Futura ihren Tanz zum Höhepunkt: hilfloses Herumirren eines jungen Mannes, Schreie von der linken Seite, Tango-Tanzen in der Mitte, starres Ausharren aller Beteiligten.

schädelspalter | 14.10.1982
Das Beziehungsmee(h)r
von ks

Die Tanzperformance „zerfiel in zwei Teile“ (wie es in Schulaufsätzen so schön heißt), deren erster sich mal wieder der sog. ’Beziehungskiste4 annahm. Tut mir leid, es ist wohl ungerecht: aber dieses Thema bin ich -speziell bei Performances -satt. Offenbar sind die Ausdrucksgrenzen eng gesteckt: Gegensätze von Hart und Weich sind obligat, auch ihre Vertauschung und die stereotype, bewußte Wiederholung sind leider keine sehr originellen Einfälle, die ich in Hannovers halbprofesioneller Theaterszene auch schon besser gesehen habe (z.B. bei Gilgamesch). Sei’s drum - immerhin geben gewisse komödiantische Aspekte (eine Szene zwischen glattem Schmerbauch und Vamp) eine Richtung an, in die sich etwas entwickeln könnte. Der zweite Teil, eine Studie von Starre und Erregung, Euphorie und Ernüchterung war dicht, assoziativ und fesselnd -seinetwegen lohnt sich ein Besuch. Trotz aller Einwände: Commedia Futura bleibt eine Gruppe, die ihre Möglichkeiten sicher noch nicht erschöpft hat.

Plakat:
Das Beziehungsmee(h)r
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