"Soll ich von mir reden Ich wer/Von wem ist die Rede wenn/Von mir die Rede geht". Es ist von Jason die Rede, aber wer ist Jason, dieser Held unter Helden, „Im Regen aus Vogelkot im Kalkfell... Ich Auswurf eines Mannes Ich Auswurf/Einer Frau Gemeinplatz auf Gemeinplatz Ich Traumhölle". Sie sind Krieger, die Argonauten, und sie gehen auf Raubzug. Sie sind Abgesandte einer imperialen Großmacht und als sie über das archaische Kolchis herfallen, ist dessen Vernichtung unausweichlich, spätestens dann, als Medea die ihren an die Griechen verrät.

Helden machen nie halt und die Ausbeutung dritter Welten hat Tradition. 18 Jahre nach der legendären Medea-Produktion - seinerzeit als das Theaterereignis in unserer Stadt gefeiert - geht noch einmal an den Stoff der Argonauten-Sage und Heiner Müllers „Verkommenes Ufer. Medeamaterial. Landschaft mit Argonauten" ran und bezieht ihn radikal auf unsere kriegerische Allgegenwart für ein multimediales Szenerio, das Francis Ford Coppalas „Apocalyps Now" ebenso viel verdankt wie den literarischen Vorlagen.

Gefördert von: Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Land Niedersachsen, Stiftung Niedersachsen, Fonds Darstellende Künste, Stadtbezirksrat Südstadt-Bult


Premiere am 31. Okt 2009,
insgesamt 19 Aufführungen zwischen dem 31. Okt 2009 und 13. Feb 2010

Ensemble


Inszenierung: Wolfgang A. Piontek;
Dramaturgie: Peter Piontek
Bühne/Videos: Naoko Tanaka
Musik: Christof Littmann
Kostüme: Sabine Mech
Lichtdesign: Wolfgang Denker

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 02.11.2009
Im Bett mit Medea
von Andre Mumot

Die Commedia Futura interpretiert in der Eisfabrik Heiner Müllers Argonauten-Texte 

Jason - Held, Eroberer, Ehebrecher - steht vierfach da. Ein Quartett in Marinekluft singt: „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.“ Medea sieht das anders. Kristina Scheyhing steht den vieren gegenüber auf einem drei Meter hohen Quader, der ganz von ihrem Kleid umhüllt wird. Kahl geschoren und lehmverschmiert rechnet sie ab, hält einen Heiner-Müller-Monolog. Zwei kleine Glocken, die sie um den Hals trägt, werden dabei zu ihren Kindern, zu Jasons Söhnen, die sie gleich töten wird. „Auf ihren Leib schreibe ich mein Schauspiel“, faucht sie, wendet sich mit aufgerissenen Augen an den Nachwuchs: „Gebt mir mein Blut zurück aus euren Adern! “

Die Commedia Futura, das in der Eisfabrik beheimatete Freie Theater, kehrt zu ihren Wurzeln zurück. 1991 hatte sie mit „Medea - Die Suche nach dem Goldenen Vlies“ einen riesigen Erfolg. Heute, 18 Jahre später, greift das Theater den Stoff noch einmal auf. Bei „Schlägt eure Zähne in mein Herz“ geht es der Commedia darum, aus dem Stoff eín Antikriegsfanal für die Gegenwart zu zimmern. Hierfür hat sich die Mannschaft um Regisseur Wolfgang A. Piontek bei Heiner Müllers finsterer Argonauten-Trilogie bedient, es aber keineswegs dabei belassen. Drei Schauspieler und zwei Schauspielerinnen werden in der Eishalle zu Argonauten, einer Elite von Helden, die sich aufmacht, das Goldene Vlies zu finden - in ihrer Version eine Karte aller Ölvorkommen dieser Erde. Da weiß man schon, woher der Wind weht.

Während auf der Hintergrundleinwand „Apokalypse Now“-Ausschnitte und blutrote Wellenvideos der japanischen Künstlerin Naoko Tanaka ablaufen, legen sich die Eroberer in die Riemen, führen harte Ruderchoreografien und wilde Maori-Tänze auf und machen klar, wie man mit Einheimischen umgeht: Man korrumpiert sie mit dem Kapitalismus oder zündet Napalmbomben. Leider verirrt sich die übervolle Inszenierung dabei immer wieder auf belanglosen Nebenschauplätzen. Alberne Anspielungen auf die Popkultur („In Bed with Medea“), müde Polemik gegen „Big Brother“-Formate, selbstironische Probenparodien und die Enttarnung von einschlägig bekannten Männerklischees überdecken immer wieder die aufrüttelnden und beklemmenden Momente.

Tatsächlich sind es Müllers Texte, die dem Abend sein Gewicht geben, gerade weil sie sich nicht auf eindeutige Aussagen und simple Aktualisierungen festlegen lassen. Wenn Kristina Scheyhing, nur mit roten Pumps bekleidet, zitternd, weinend, schwitzend Müllers Worte hervorpresst und rasend, auf dem Podest ihre Kinder tötet, bröckelt tatsächlich die Schutzschicht unserer Zivilisation. .Jede Blödelei verstummt, und alles bricht: Marmor, Stein und Eisen auch.

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Neue Presse | 02.11.2009
Pionteks Medealandschaften: Kryptisch-Antikes zu Kriegen von heute
von Melanie Kornek

Sie drängen sich durch das Publikum im Foyer, drei Männer, zwei Frauen in schwarzen Anzügen - typisch Agenten. Sie machen die Wartenden zu Argonauten, zu den antiken Helden, die mit Jason aufbrachen, um das Goldene Vlies zu rauben. Um diese Sage gehts in „Schlagt eure Zähne in mein Herz. Medealandschaften mit Argonauten", dem jüngsten multimedialen Stück der Commedia Futura in der Eisfabrik.

Es geht in den Theatersaal (besser auf das Schiff „Argo"). lm Hintergrund tobt auf einer Leinwand ein Sturm,die Schauspieler, mittlerweile in Matrosenanzügen, hasten auf der Bühne von links nach rechts, wie bei starkem Seegang. Ihre spärlichen Requisiten, Stühle und Äste, die als Ruder dienen, nehmen sie mit. Sie schwören sich auf den Kampf ein, aber nicht etwa durch griechische Gesänge ,sondern mit Haka, einem rituellen Tanz der neuseeländischen Maori, die damit ihre Gegner einschüchterten. Es gibt viele aktuelle Bezüge, die im Stück versteckt und geschickt mit der Medeamythologie verwoben sind - die Kriege in Afghanistan, oder Vietnam etwa. Sie zeigen die Brutalität und Ausweglosigkeit von Krieg, der früher für Gold und heute für Ressourcen geführt wird.

Ortswechsel im zweiten Teil. Durch den Keller wird das Publikum in den Schwarzen Saal geführt, wo Medea (Kristina Scheyhing) auf einem Podest zu sehen ist. Die Zauberin spricht ihren Monolog kraftvoll, mitreißend und stirbt. Am anderen Ende des Saals singen vier Matrosen „Death is not the End" (Der Tod ist nicht das Ende) von Nick Cave. Laut Regisseur Wolfgang A. Piontek ist das Lied die Schlußaussage des Stücks. Leider nimmt es ihm aber jegliche Kraft und Tragik und stellt seinen ganzen Sinngehalt in Frage.

Plakat:
Schlagt eure Zähne in mein Herz
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