”Twa Queens…” ist ein Juwel aus der aussterbenden Gattung ”engagiertes off-Theater“. (Norddeutscher Rundfunk)

Mitfühlen, mitleben, mitleiden – diese Inszenierung zielt ganz auf die Sinne des Zuschauers, scheint in genau jenem intuitiven Reflex entstanden zu sein, der erst echtes theatralisches Erleben möglich macht. (Hannoversche Allgemeine Zeitung)

Was wäre gewesen, wenn . . . Was wäre, wenn eine der beiden verfeindeten Königinnen Elisabeth I. und Maria Stuart ein Mann gewesen wäre? Hätten sie ein friedliches Herrscherpaar abgegeben oder wäre alles noch viel schlimmer gekommen? So müßig diese Frage ist, so spannend und lohnenswert ist es, die Geschichte der Maria Stuart aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Maria Stuart gehört zu den faszinierendsten Gestalten der englisch-schottischen Geschichte, legendenumwoben und gar nicht unumstritten. Im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit steht immer wieder der Kampf zweier Frauen, der Schottenkönigin Mary und der englischen Elisabeth. Seit Schiller kennen wir die klassische Variante der Geschichte, wie die eine die andere erledigt.

Commedia Futura spielt nicht Schiller. Es geht vielmehr darum, den Zugang zu dem Stoff neu zu finden. Dabei stehen neuere biographische Untersuchungen ebenso Pate wie etwa das Stück “Mary Queen Of Scots Got Her Head Chopped Off“ der schottischen Autorin Liz Lochhead. Das Stück zeichnet die Geschichte der Maria Stuart nach, indem es die Bedeutung wichtiger Lebensstationen ausleuchtet. In der Rolle der Maria lösen sich drei Frauen ab, und Elisabeth ist - ein Mann. Gearbeitet wird mit vielfältigen Mitteln modernen Tanztheaters, das neben Musik auch mit Sprache arbeitet.

 

Gefördert von der Stadt Hannover, dem Land Niedersachsen, der Niedersächsischen Lottostiftung, der VR Stiftung und der Sparkasse Hannover.


Premiere am 24. Feb 1995,
insgesamt 29 Aufführungen zwischen dem 24. Feb 1995 und 14. Mai 1995

Ensemble


Konzept: Monika Matting
Inszenierung: Wolfgang A. Piontek, Gregor Weber
Regieassistenz: Ariane Skupch
Bühne: Lutz Hülsen, Sven Kranich
Kostüme: Heike Schröder
Musik: Gerd Lühring, Gerd Jacob
Lichtdesign: Wolfgang Denker

LeineZeitung | 17.03.1995
Eisfabrik - Premiere: Commedia Futura spielt Twa Queens On Wan Green Island
von cf

Ein Spiel um Liebe, Macht und Gewalt / Experimentelles Bewegungstheater

Aus der Perspektive eines längst Verstorbenen, dem Diener Rizzio, wird die Geschichte der beiden Königinnen Maria Stuart und Elisabeth I. aufgerollt. Grell in Szene gesetzt reißt er das Publikum noch im Foyer aus den Unterhaltungen und führt es mit dem Gestus eines Märchenerzählers in die Geschichte ein. Fasziniert folgt man ihm und lässt sich auf das Spiel um Liebe, Macht und Gewalt ein, welches auch als Schlachtengemälde bezeichnet werden könnte.

Im eigentlichen Theaterraum wird in 11 Bildern der Machtkampf der ungleichen Cousinen Maria Stuart und Elisabeth I. von England dargeboten. Als ein Stück experimentelles Bewegungstheater vermindert die Inszenierung die Distanz zum historischen Stoff. Sinnliche und emotionale Authentizität geht den Commedianten vor detailgetreuer Historienmalerei. “Was jeder nachlesen kann, braucht das Theater nicht zu wiederholen“, heißt es in dem Programmplakat.

Dem gebildeten Laien kommen natürlich sofort die wohl bekanntesten Bearbeitungen des Stoffes von Friedrich von Schiller und Stefan Zweig in den Sinn. Doch gerade um die Befreiung dieser Frauengeschichte von Legenden und Männerphantasien ging es der Schauspielerin Monika Matting, der Darstellerin der Maria und Initiatorin dieses Stückes. Im Laufe der Probenarbeiten wurde das Material vom Regisseur Wolfgang Piontek überarbeitet und völlig neu gestaltet. Dennoch findet sich das eine oder andere Zitat, besonders der fiktive Dialog der Königinnen aus Schillers Stück ist klar erkennbar.

Für die Choreographien ist Gregor Weber, der auch spielt, verantwortlich. Die Gegenspielerin der Schottenkönigin, Elisabeth I., wird von Heike Lindenberg gespielt und getanzt. Weitere Darsteller, in wechselnden Rollen und im Chor, sind Baki Davrak, Marcia Bittencourt, Beate Schulte-Walter und Rosario Avanzato. Twa Queens On Wan Green Island ist nach vorangegangenen Produktionen wieder ein Versuch, Theater als multimediales Gesamtkunstwerk erfahrbar zu machen. Aber in dieser Inszenierung stimmen nicht nur Choreographie. Lichtregie und Musik hinreißend überein, sondern sie entbehrt auch nicht eines gewissen Humors. Ob es sich um in das Spiel eingestreute komische Mimik und Gestik handelt, die Untermalung der Hochzeitsszene durch schräg klingende Glocken, aufgeregtes Sprechen in einer fiktiven Sprache oder sogar um das ganze Zwischenspiel (Kampf der Königinnen), das kaspertheaterähnlich dargeboten wird - die Komik kommt an und lockert das doch recht ernste Thema auf. Commedia Futura bietet zwei Stunden lang Theatergenuss, der nach der Premiere vom Publikum durch minutenlangen Beifall honoriert wurde.

Prinz | 27.02.1995
Was angelaufen ist: Premieren unter der Lupe
von Jessica Lachmann

Die Story:

Maria Stuart, Queen of Scots, stolpert über zwei unpassende Gatten und flieht mit Thronansprüchen im Kopf nach England. Dort sitzt Cousine Elizabeth l., und die hat von Papa Henry Vlll. gelernt, wie man lästigen Verwandten zu Leibe rückt: mit dem Scharfrichter. Das Stück erweitert die Fakten um ein fiktives Date der königlichen Cousinen. 

Die Regie:

„Ein Schlachtengemälde” ist's, ein stilisierter Bilderbogen um Macht und Erotik. In spukhaftem Tanz lösen sich die Cousinen aus wattigen Familienbanden, um sich kurz drauf wie die Kasperl zu schlagen - mit Comic-Zoing! Ironische Zitatlust verbindet sich mit purer Ästhetik zum Sinnesrausch. Nur vernebelt da manchmal die Handlung.

Die Stars:

Klar: Monika Mattings elegische Stuart und Heike Lindenbergs stolz erstarrte Elizabeth. Verwirrend: die Doppelrollen der Nebendarsteller. 

Der Autor:

Eine Eigenproduktion der Commedia Futura, mit dem Anspruch, „der Vorstellungskraft Nahrung zu geben". 

Genuss?

Suggestıver Bilderrausch., dem manchmal der rote Faden fehlt. 

Hannoversche Allgemeine Zeitung | 27.02.1995
Heiß geliebt, kalt gemordet
von Simone David

Maria Stuart, schöne Königin von Schottland und tragisch gescheiterte Politikerin: kaum ein Schicksal reizte mehr Autoren und Regisseure zu einer Bearbeitung und Auseinandersetzung. Ganz besonders jedoch ist die Geschichte der Maria Stuart die einer erbitterten Frauenrivalität, welche für Maria auf dem Schaffot endete: aus Angst vor den Machtansprüchen ihrer Cousine auf den englischen Thron lässt Elisabeth I, Königin von England, Maria 1587 hinrichten.

„Damals, als so heiß geliebt und so kaltblütig gemordet wurde. . .“, weiß Rizzio (Baki Davrak), Marias Vertrauter und Sekretär, den Besuchern im Foyer der hannoverschen Eisfabrik zu erzählen, um sie einzustimmen auf „Twa Queens On Wan Green Island“, ein „Spiel um Liebe, Macht und Gewalt“, mit dem die Commedia Futura den Lebensweg dieser Frau und Königin nachgezeichnet hat. Auf elf Kernszenen haben Regisseur Wolfgang A. Piontek und Choreograph Gregor Weber den Stoff heruntergestrichen, dennoch ist es ihnen gelungen, die Vielschichtigkeit des Ineinandergreifens von Erotik, Politik und Religionen zu zeigen und gleichzeitig mit einer Zentrierung auf die Darstellung und Konfrontation der unterschiedlichen Frauencharaktere das eigentliche Thema ihrer Bearbeitung zu bestimmen.

Viel Zeit zum Einfühlen bekommt der Zuschauer nach dem Betreten des „Schwarzen Saales“, der lange dunkel bleibt. Klostergesänge sind zu hören, fangen sich und scheinen alle nur vorstellbare Kühle eines Schloßgemäuers mit sich zu tragen. Bald sind die Zuschauer angekommen im kalten, feindlichen und protestantischen Schottland, das sich von seiner unglücklichen, gerade aus dem französischen Exil zurückgekehrten und katholischen Königin Stuart (Monika Matting) nicht regieren lassen will. Elisabeth (Heike Lindenberg) hingegen, durch kalte Berechnung auf den englischen Thron gelangt, hält gebieterisch Hof, lässt sich selbstverliebt von ihren Untergebenen feiern. Und doch hat diese Herrscherin Angst vor ihrer schönen Cousine, so dass eine Konfrontation unausweichlich wird.

Mit lebensvollen Bildern, (besonders schön die Kostüme von Heike Schröder), gelingt es den Commedianten, die Gechichte um zwei mächtige Frauen des 16. Jahrhunderts zu erzählen, ohne die Zuschauer zu beschweren. Keine langatmigen Dialoge, kein ermüdendes Erzählen. Stattdessen ein greifbares Spiel aus Sprache, Gesang und Bewegung, getragen von Esprit und herrlichem Humor.

Wie zeigt man die Wut der beiden Königinnen aufeinander? Man stellt sie in ein überdimensioniertes Kasperletheater und läßt sie sich in Stummfilmmanie und ganz königlich zu „quietsch“, „peng“ und „krach“ aus dem Hintergrund die Köpfe einschlagen. Wie führt man Henry Darnley (Gregor Weber), diese zwielichtige, aber verführerische Figur und späteren Ehemann Marias ein? Eine „Drei-Mann-Karibik-Combo“ mit Rasseln und wiegendem Hüftschwung nimmt ihn in seine Mitte, stimmt das Lied „Mari(n)a, Mari(n)a“ an und schon ist sie sein und der Zuschauer (ungemein amüsiert) im Bilde.

Das Lachen jedoch gefriert, wenn aus dem leichten Spiel bitterer Ernst wird. Eben noch reizten die erotischen Verzückungen des jungen Paares zu fröhlichem Vergnügen, im nächsten Moment hingegen findet sich das Publikum mit einer ekstatischen Wollust konfrontiert, die in ihrer Zügellosigkeit eine gefährlich erschöpfte junge Frau zurückläßt, ebenso wie die Darstellung der Ermordung des Sekretärs Rizzios in ihrer drastischen Körperlichkeit die schreckliche Unmenschlichkeit einer Intriganten und gewissenlosen Hofgesellschaft verdeutlicht. (In wechselnden Rollen: Marcia  Bittencourt, Beate Schulte-Walter und Rosario Avanzato).

Mitfühlen, mitleben, mitleiden - diese Inszenierung zielt ganz auf die Sinne des Zuschauers, scheint in genau jenem intuitiven Reflex entstanden zu sein, der erst echtes theatralisches Erleben möglich macht. Ein gelungenes Geflecht aus körperorientiertem Spiel, Musik (Gerd Luhring, Gerd Jakob) und Licht (Wolfgang Denker) zeigt hier eine Maria Stuart, wie sie im Jahre 1995 wohl lebendiger nicht sein kann.

 

 

 

Neue Presse | 27.02.1995
Maria Stuart zwischen Romantik, Slapstick und Lennon/ McCartney
von Jörg Worat

 "Diese Insel ist zu klein für uns beide": Der klassische Westernspruch könnte als Motto über dem neuen Stück der Commedia Futura stehen. Den Konflikt zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart behandelt „Twa Queens On Wan Green lsland" auf höchst eigenwillige Weise.

„Zwei Königinnen auf einer grünen Insel" heißt das übersetzt. Der Titel ist altenglisch, aber wer nun Historientheater erwartet, ist ganz schief gewickelt. Das zeigt bereits der Anfang sehr deutlich: Los geht's nämlich im Foyer mit einer heftigen Rap-Nummer. Dann wird man in den Schwarzen Saal geleitet, zum puren Kontrastprogramm. Denn hier wickeln sich die beiden Hauptfiguren, zunächst eng zusammengepackt im Hintergrund der Bühne, zu unheilvollen Klängen langsam auseinander, um schließlich ihre Plätze einzunehmen - Elisabeth hoch oben auf dem Thron, Maria Stuart, die Vielbegehrte, mitten im Ensemble. Eine wunderschöne Sequenz mit Anleihen beim Butoh-Tanz.

Und so gehts weiter, quer durch alle Stilrichtungen und Epochen. Das 16. Jahrhundert kommt durchaus zu seinem Recht, etwa mit höfisch-possierlichen Reigen oder mit Heike Schröders zeitgenössisch inspirierten Kostümen. Auf der anderen Seite gibt es handfesten Slapstick. Dann wiederum erklingt plötzlich der in „Maria" umgetaufte 50er-Jahre-Schlager „Marina", und überhaupt wird hier zitiert ohne Ende.

Mancher Modernismus, etwa die Erwähnung der Beatles Lennon und McCartney, wirkt dabei etwas störend. Thematisch haben die Regisseure Wolfgang A. Piontek und Gregor Weber den Charakter der beiden Königinnen in den Vordergrund gestellt. Heike Lindenberg gibt eine machtbewusste Elisabeth, deren taktierende Unverbindlichkeit an manchen Politiker heutiger Tage erinnert.

Monika Matting streicht das Romantische, Gefühlsbetonte der Maria Stuart heraus, die ganz im Gegensatz zur Konkurrentin eine ausgesprochene Männerfreundin war. lhre Hinrichtung setzt die Commedia ganz ohne blutige Effekte brillant in Szene: Vor dem Aufstieg zum Schaffott finden sich die beiden Frauen widerstrebend, aber unaufhaltsam zum Kuss zusammen - mehr das politische Kalkül als das Empfinden haben den tödlichen Ausgang des Konflikts bestimmt.

Das Stück hat zahlreiche Momente, die haften bleiben, und es beeindruckt streckenweise durch ausgezeichnetes Ensemble-Spiel. Die Premiere wirkte allerdings nicht immer homogen. Wenn manch gar zu krasser Übergang noch ausgebügelt wird, könnte diese Produktion ein großer Wurf werden.

 

 

Plakat:
Twa queens on Wan green island
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Über vier Jahrzehnte Commedia Futura

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Bis heute

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